Von den Elben Hot

Nico Steckelberg   26. Januar 2013  
Von den Elben

Musik

Interpret/Band
Veröffentlichungs- Datum
25. Januar 2013
Format
CD
Anzahl Medien
1

Hörspiegel-Meinung

Gesamtwertung 
 
7,0

Die Faune sind los, und zwar so richtig entfesselt. Seit vielen Jahren beobachte ich den künstlerischen Werdegang der Pagan-Folker. Wer Faun live auf der Bühne sieht, der weiß, wie sehr sie hinter ihrer Arbeit stehen, und dass ihre Musik ein essentieller Teil ihres Lebens ist. Mit viel harter Arbeit und schier unermüdlicher Live-Aktivität zählen Faun seit langem nicht nur zu den Szenegrößen, sondern auf Grund ihres sympathischen Wesens auch zu den absoluten Publikumslieblingen.

Wer hart arbeitet, der soll belohnt werden. In Fauns Fall wird der Fleiß durch einen Major-Deal mit Universal gekrönt. Nicht schlecht! Und so passiert nun, was viele vor Jahren noch als abwegig gehalten hätten: Faun müssen sich nach ihrer konsequenten erfolgreichen Mauserung zur Szenegröße (Mittelalter/Folk/Gothic) nun auch als Newcomer auf der allgemeinen populärmusikalischen Bühne beweisen. Ich war begeistert, dass es diesen netten Vollblut-Musikern gelungen ist, gleichzeitig aber doch auch überrascht. Und natürlich schwingt bei den Fans der Band immer eine Besorgnis mit, ob sich denn die Musik durch den Wechsel zu einem Major-Label verändert.

Das neue Album trägt den Titel „Von den Elben“. Schon das Coverbild deutet eine Veränderung an. Während die bisherigen Alben oft auf pure Ornamentik, Lichtspiele oder künstlerische Darstellungen setzen, zeigt „Von den Elben“ erstmals die Band als zentrales Element der Musik. Hier werden auch die Musiker persönlich ins Licht gerückt, nicht ihre Kunst. Musikalisch ist das Album sehr mittelalterlich-folkig geraten. Die Drehleier ist ein zentrales Kernelement der Stücke. Flöten und Saiteninstrumente spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Oft ist auch der altbekannte stampfende Rhythmus zu hören, der charakteristisch ist für die Faun'sche Mischung aus Organik und Elektronik. Allerdings ist der elektronische Teil stark reduziert auf die Beats, und selbst dann soll vielmehr der Eindruck entstehen, dass nicht allzu elektronisch vorgegangen wird. Vor allem jedoch sind die Stücke enorm eingängig, die lyrischen Motive sind eher romantischer Natur. Keine bis wenig Naturmystik ist hier zu finden.

Schaut man sich die ersten Rezensionen im Internet an (auch ich war interessiert, wie das Album bei den Fans ankommt), bemerkt man, wie sich eine Wand zwischen Band und Altfans aufzutürmen droht. Woran liegt das? Einige Rezensenten bescheinigen Faun einen Hang zum Schlager-Mittelalterpop. Meines Erachtens ist diese Gefahr nicht geboten, denn trotz der deutschen Texte ist das Album vom Schlager-Genre meilenweit entfernt. Die Texte hingegen sind von unterschiedlicher Qualität.
Ein Positivbeispiel für einen gelungenen Text ist die erste Videoauskopplung „Diese kalte Nacht“, Lyrics by Oliver S. Tyr, dem Faun-Mastermind: „Diese Nacht ist kalt und der Wind der bläst / Durch unser Land und wer jetzt noch geht / ist ein armer Tor oder auf dem Weg / Zu der Liebsten die jede Reise lohnt“. Das ist romantisch, aber nicht kitschig, aus meiner Sicht ein guter Text zur Strophe dieses Songs. Ein Gegenbeispiel ist die deutsche Version des irischen Stückes „Siúil a Rún“, das unter dem Titel „Wilde Rose“ doch eine gewisse „Über-Blumigkeit“ nicht verstecken kann.

Warum klingt „Von den Elben“ jetzt also so anders als die Faun, die wir kennen? Einerseits ist es die Genre-Veränderung, die stärker in Richtung Mainstream-Mittelalter geht als früher. Mainstream im Sinne von „gefällig“ oder „bekömmlich“. Aber verändert hat sich auch die Komposition. Das ist nicht verwunderlich, denn während beispielsweise „Totem“ aus 2007 zu 100% musikalisch und textlich von Faun geschrieben wurde (tlw. basierend auf traditionellen Stücken), weist „Von den Elben“ sehr viele Fremdkompositionen und -texte auf. Hier sind Faun dann lediglich Interpret. Auch die Produktion des Albums wurde ausgelagert an das Produzententeam von Valicon (Silbermond, Lena, Eisblume, Glasperlenspiel u.a.). Insgesamt ist alles stärker auf die Gesänge ausgerichtet. Die Leadvocals sind fett, und Chöre unterstützen das Klangvolumen. Der Gangsanteil von Oliver S. Tyr ist mir persönlich zu stark in den Hintergrund gerückt. Duette mit Subway to Sally und Santiano bringen große Namen mit ins Spiel, bereichern das Album künstlerisch aber nur bedingt. Das „Sauflied“ „Tanz mit mir“ ist sehr schwungvoll und macht gewiss auch live Spaß, es hätte aber nicht der künstlerisch und musikalisch gefeiten Band Faun dafür bedurft.

„Von den Elben“ ist ein gut produziertes Mittelalter-Pop-Album in deutscher Sprache, das das Potenzial hat, auch genreübergreifend erfolgreich zu sein. Alle Signale hierfür stehen auf Grün. Viele alteingefleischte Fans stört dies möglicherweise, weil sie den Abbau des „Pagan-Spirit“ ihrer Lieblingsband als notwendig gewordene Unterordnung für den kommerziellen Erfolg interpretieren. In der Tat steht das Album künstlerisch und kompositorisch hinter vielen Altwerken der Band. Und dennoch ist „Von den Elben“ ein gutes Mittelalter-Album geworden, das man empfehlen kann. Die Produktion ist großartig, und wer damit leben kann, dass Erfolg und Kompromissbereitschaft zwei Seiten derselben Medaille sind, der wird auch Zugang zum neuen Album finden. Ich wünsche den Faunen alles nur erdenklich Gute auf ihrem Weg.

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