D=OUT: Live in Köln Hot
Alina Jensch
05. Juni 2010
Hörspiegel-Bericht
Auch die zweite Europatour, „Oreimairi World Expo'10 -Samurai Japon-“, der jungen Visual Kei Band aus dem fernen Tokio führte sie für 3 Konzerte nach Deutschland. Eines davon zum wiederholten Male nach Köln.Waren D=OUT im April vergangenen Jahres allerdings noch in der nur wenige Meter entfernten Werkstatt aufgetreten, so gaben sie sich diesmal im etwas kleineren Underground die Ehre. Ein weiser Schachzug, wie sich herausstellen sollte, denn während die recht kleine Werkstatt anno 2009 schon nicht gerammelt voll war, so herrschte diesmal jenseits der Ballungszentren triste Leere. Ein bisschen unverständlich ist das schon, hatte der letztjährige Auftritt allen Anwesenden doch ausnahmslos gefallen und konnte die deutsche Fanbase in der Zwischenzeit auch ausgebaut werden.
Wie dem auch sei, der Stimmung im Underground tat das alles keinen Abbruch und zusammen mit diversen technischen Mängeln und dem seitlich einstreuenden Tageslicht kam eine recht familiäre Atmosphäre zustande – fast schon ein bisschen wie der Auftritt der Lieblingsband im eigenen Wohnzimmer.
Kurz nach halb neun begann das Intro „Fanfare“, welches auf dem aktuellen Album der Japaner, „Carnival UKIYO“, eigentlich eher als Outro fungiert, und kurz darauf betraten die Musiker ohne Sänger die Bühne und lösten einen heftigen Sturm der Begeisterung aus. Los ging es mit dem Titelsong des soeben erwähnten Albums und passend zu seinem Einsatz lies sich auch Sänger Kouki endlich blicken.
Wie es sich für diese Art von Band gehört, trugen alle ihre neusten Kostüme, gestylt bis in die Haarspitzen und optisch aufeinander abgestimmt. Hier gibt es eben nicht nur was zu Hören, sondern auch zu Sehen. Wobei es zu Hören erst einmal nur wenig gab, denn das Mikro erfüllte seinen Zweck nicht und auch der Rest klang suboptimal. Die hauptsächlich weiblichen Fans störten sich im Gegensatz zur etwas angespannt dreinblickenden Band nicht weiter daran und feierten ausgelassen den heiteren Song.
Für den Anfang hatte man sich mit „Carnival UKIYO“, „Myojou Orion“ und „Shangri-La“ drei flotte Songs aus den letzten zwei Jahren ausgesucht und mit Hilfe des kontinuierlich besser werdenden Sounds das Eis nicht nur gebrochen, sondern die Halle zum Kochen gebracht. Zeit für ein paar nette Worte, in Insiderkreisen auch „MC (Member Comment)“ genannt.
Da es für junge japanische Musiker nicht ungewöhnlich ist des Englischen nicht ernsthaft mächtig zu sein, war es weniger überraschend, dass Sänger Kouki uns in einer wilden Mischung aus Deutsch, Englisch und Japanisch begrüßte und kurz die Band vorstellte. Es ist immer wieder erstaunlich mit wie wenigen Hemmungen sich zumindest die Musiker von D=OUT an ihre Kommunkationsversuche wagen und es tatsächlich schaffen verschiedenste Sprachschnipsel so aneinander zu reihen, dass man am Ende tatsächlich den Inhalt versteht. Viele andere scheinen dieses Abenteuer nicht gern eingehen zu wollen und verhalten sich auf europäischen Bühnen eher wortkarg oder sprechen ungeachtet der Sprachbarriere schlichtweg nur Japanisch.
Heiter ging es weiter mit „Goku“ und „Doukoku Nite Shigure“, wobei die Nebelmaschine mit einem kläglichen Auftritt glänzte und sich wieder einmal wunderschön zeigte, dass sich das Publikum auf japanischen Konzerten (auch im Ausland) selbst beim Springen und Schwingen noch verhältnismäßig geordnet und synchron bewegt.
Der ausgelassenen Stimmung wurde dann mit „Gekokujou“ ein abruptes Ende gesetzt und sich dem Düsteren zugewandt; D=OUT ist eben eine Rockband mit verschiedenen Gesichtern. Ein schwarz-rotes Megafon feierte hier seinen Auftritt und wenn Kouki erhöht auf den Monitorboxen stand und mit erhobenem Finger über dem jubelnden Publikum in das Gerät schrie, mutete es polit-historisch doch schon etwas bedenklich an. Aber D=OUT sind keine wirklich politische Band, wohl aber in gewisser Weise historisch, schreiben sie sich doch das Traditionelle der japanischen Kultur auf die Fahnen und begaben sich thematisch und optisch mit dem vorletzten Album nach „Zipang“, dem Land voll Gold und Silber, wie Marco Polo das mittelalterliche Japan beschrieb.
Der Abstecher in dunklere musikalische Gefilde endete mit einer Sirene und versiegte in einer unheimlichen Stille.
Es ging wieder beschwingt und mit viel Tanz und Armbewegungen zur Sache, denn mit „Noraneko To Onpu“, ein Song der von der Liebe zu einem Menschen aus Sicht einer streunenden Katze handelt und sogar das ein oder andere Miauen beinhaltet, war nun einer der fröhlichsten Songs an der Reihe. Da ist wirklich gute Laune angesagt. „Harukaze Shalala“, ein echter D=OUT Klassiker, fügte sich da nahtlos an.
Im Anschluss rockten „Satellite TV“ und „Shisei Tattoo“ ordentlich, das Publikum warf einheitlich die Fäuste in die Luft und sang enthusiastisch mit und dann versagte Ibukis Gitarre am Anfang von „Tachikaze Yokochou“. Gelegenheit für ein verlegenes Lächeln seitens des Gitarristen und ein paar Worte seitens des Sängers. Bald schon ging es aber schwungvoll weiter, mitgebrachte Handtücher wurden durch die Luft gewirbelt (ja, das ist so üblich. Allerdings handelt es sich hierbei um schmale, kunstvoll verzierte Handtücher, die zum Merchandise-Repertoire jeder japanischen Kombo gehören) und verschwanden dann wieder um durch Fächer ersetzt zu werden, die dann bei „Sunrise“ energisch über den Köpfen der Fans hin- und her geschwungen wurden.
Nach all der Fröhlichkeit kam, was kommen musste, ein weiterer Song der etwas düsteren und härteren Gattung in Form von „Kimon“. Den Wechsel hätte man optisch wunderbar mit Lichteffekten unterstreichen können, leider gab die vorhandene Technik nicht viel her und die einzigen drei Farben führten bis zum Schluss mit nur gefühlten zwei verschiedenen Einstellungen durch das Programm. Wer auf eine aufregende Bühnenbeleuchtung, wie sie die optisch doch recht aufwendige Band verdient hätte, gehofft hatte, war hier leider falsch.
Auch klangtechnisch lief bei diesem Song nicht alles perfekt, so kamen die Background-Growls im Refrain vom Band und das fast doppelt so laut wie der eigentliche Gesang. Dafür spuckte Kouki zur lautstarken Freude der weiblichen Fans in den vorderen Reihen Wasserfontainen in die Luft und verlieh dem Auftritt etwas mehr Show-Charakter.
Ein besonderes Schmankerl hinsichtlich des Unterhaltungsfaktors bot dann aber der als letzter Song angekündigte Fanliebling „Hanasaka Beauty“, bei dem Kouki nicht nur gemeinsam mit dem völlig aufgedrehten Publikum die Arme hin- und her schwang, sondern auch mit den Saitenzupfern von rechts nach links und zurück über die Bühne tänzelte und das quasi im seitlichen Gänsemarsch.
Damit war der erste Teil der Vorstellung vorbei und eine Verschnaufpause war bei der Hitze und der aufgeheizten Stimmung mehr als notwendig.
Auf die typischen „Ankore“ (von Englisch „encore“) Rufe hin erschien wenige Minuten später die Band in den eigenen Tourshirts wieder auf der Bühne und stieg direkt mit der Ballade „Aoi Tori“, zu Deutsch „Blauer Vogel“ ein. Hier bewies Kouki, der schon ab und an mal einen Ton daneben liegt, dass er, wenn es drauf ankommt, auch die hohen Töne auf Anhieb meistert. Das Klavier lief hier zwar playback, schön und stimmungsvoll blieb der Song aber trotzdem und brachte das agile Publikum auf magische Weise zur absoluten Ruhe.
Der perfekte Einstieg für eine ausgiebige und mir bisher längste bekannte Vorstellungsrunde seitens der Band. Den Anfang machte Schlagzeuger Minase, den man dank seiner Position zwar so gut wie nie zu Gesicht, aber definitiv zu Gehör bekam. Jener bedankte sich für die Unterstützung der Fans und sprach über deutsches Essen, bevor er gemeinsam mit Kouki das Publikum in eine Art Sketch einbezog. Man muss sagen, dass sie sich wirklich alle Mühe zur Interaktion gaben. Minases Nachredner, Bassist Reika, tat es ähnlich und stellte mit den Anwesenden eine typische Situation aus der beliebten japanischen Comicserie Dragonball nach. Das allerdings nicht ohne vorher mit Hilfe eines Wörterbuchs in nahezu perfektem Deutsch über das schwüle Wetter gesprochen zu haben. Ein Wörterbuch hätte der zierliche Gitarrist Hikaru gut gebrauchen können, denn er tat sich erstaunlich schwer damit das Publikum zur einer La Ola zu bewegen. Umständlichen englischen Erklärungen und wilden Gestiken zum Dank klappte es am Ende dann aber doch. Die meisten Hände blieben danach dann auch gleich oben, als Kouki, Reika und Ibuki mit vereinten Kräften versuchten Hikaru unter Protest ins Publikum zu bugsieren. Weniger extrovertiert und auf wenige Worte begrenzt präsentierte sich der andere Gitarrist Ibuki, bevor Kouki die letzten drei Songs des Abends ankündigte.
Das Publikum machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung und forderte lautstark den Coversong „Koi No Bakansu“, der dann auch zumindest kurz gespielte wurde, bevor es wie geplant mit dem aufgeweckten „Natsu Matsuri“ weiterging. Mit „Flashback“ folgte dann ein rockiger Song aus D=OUTs Anfangstagen und dann wurde es mit „Fender“, einer Liebeserklärung an den Sechsaiter, wieder fröhlich beschwingt.
Eigentlich hätte es das schon sein sollen, aber weil es so schön war brachte die Band aus dem Land der aufgehenden Sonne noch einmal „Sunrise“ und wenn man nicht wüsste, dass das schon der 21. Song des Abends war: Dem Publikum hätte man es nicht angemerkt, es wurde nochmal alles gegeben.
Zwar sind dem Publikum Bildaufnahmen strikt verboten, für die Band gab es zum Schluss aber von der Bühne aus noch ein Erinnerungsfoto und dann war der ganze Spuk um 22:50 Uhr, nach zwei Stunden zwanzig Minuten und 21 Songs später, vorbei.
Vorbei? Den geneigten Fan erwartete noch die Möglichkeit ein Autogramm von der mittlerweile ziemlich ausgepowerten Band zu ergattern.
Auch wenn es für den Genre-Neuling wohl sehr gewöhnungsbedürftig sein dürfte übertrieben gestylte und weiblich anmutende Herren auf der Bühne und Horden von ebenfalls ungewöhnlich aussehenden jungen Damen vor der Bühne zu erleben, so sind D=OUT doch immer wieder ein Erlebnis der positiven Art.
Das geringe Zuschauerzahlen, die hier wirklich nicht gerechtfertigt sind, auch kleine Hallen erfordern, ist klar – dennoch war es sehr schade, da durch die eingeschränkten Möglichkeiten der Beleuchtung und immer wiederkehrende Soundprobleme doch etwas vom Charme der sympathischen und stets bemühten Band verloren ging. Der guten Stimmung auf beiden Seiten hat es zum Glück nicht geschadet, aber D=OUT hätten eine bessere Möglichkeit sich in Szene zu setzen verdient gehabt.