Indicator Hot
Musik
Hörspiegel-Meinung
Fünf lange Jahre hat es gedauert, bis Deine Lakaien sich nach „April Skies“ wieder ins Studio begeben haben. In diesen fünf Jahren ist jedoch eine ganze Menge passiert. Die Fans der Dark Wave-Pop-Formation durften sich über viele überraschende Konzerthighlights freuen. Darunter das „Concert That Never Happened Before“, einen exklusiven Beitrag zu einem Neil Gaiman-Sampler und eine Konzerttournee mit klassischem Orchester, dessen Mitschnitt „20 Years of Electronic Avantgarde“ von der Gema sogar zu 50% als klassisches Werk anerkannt wurde. Kein Wunder bei 700 Seiten Partitur. Den Abschluss der Albumpause machte eine Akustik-Tour mit präpariertem Klaviert, auf dem bereits erste Stücke des nun endlich vorliegenden neuen Albums „Indicator“ gespielt wurden (wir berichteten).
Hier ist also „Indicator“: Und es ist ein Wiedersehen mit alten Freunden und „Moods“.
Ernst Horn setzt auf seine eingängige Mischung aus elektronischen Sounds, die ab und an nach den analogen Jahren klingen, doch meistens nur mit einem Adjektiv zu beschreiben sind: „Hornisch“. Dasselbe kann man über Alexander Veljanovs tiefen, wohligen Gesang sagen: Die Einsätze und Gesangsrhythmik sind unverkennbar und von ihrem eigenen Genre.
Kurzum: Der Sound von Deine Lakaien ist auch im 25. Jahr nach der Bandgründung noch immer unverkennbar, das Songwriting ebenfalls. Die Treue zum eigenen Stil vorbildlich. Das bedeutet zwar auch, dass nur wenige neue Elemente Einfluss in die Musik von Deine Lakaien finden, aber man macht halt keine Experimente.
Auf Indicator spielen vor allem akustische Soundfragmente und Instrumente eine tragende Rolle neben der bekannt-dominanten Elektronik. Das obligatorische Klavier fehlt nicht, aber auch die hellen Violinenspuren und gezupfte Saiteninstrumente werden verwendet. Das gibt den Stücken, in denen sie vorkommen, einen merkwürdig altertümlichen Charakter. Ein gutes Beispiel ist gleich der Opener: „One Night“, das mich persönlich sehr angenehm an eine Mischung aus „The Walk to the Moon“ und „Follow Me“ erinnert.
Beim zweiten Stück „Who’ll save your World“ klickert und klackert es an allen Ecken und Enden und man kann gar nicht weghören, so interessant ist der Songaufbau. Erinnerungen an „The Cabin Door“ kommen ins Gedächtnis. Auch die Singleauskopplung „Gone“ hat es in sich. Die Strophe ist sperrig und will gar nicht recht kleben bleiben im Ohr, doch dann kommt der Deine Lakaien-Overkill mit einem Chorus, der nie wieder aus dem Gedächtnis verschwinden wird und den Hörer noch so manches Mal zum Zurückskippen und Nochmal-Anhören zwingt. Und es gibt immer wieder Neues zu entdecken: Ist das hier ein Fingerschnippen, das den leisen Takt ab der Mitte des Songs angibt?
Zu erwähnen wäre da noch der französisch-englischsprachig gesungene Song „Europe“, der tanzbare Aspekte aufweist; oder das sehr akustische „Without your Words“, das beinahe an eine Akustik-Gitarren-Ballade heranreicht, mit Cello und Piano: ein schöner, melancholischer Chanson, der sich im Folgenden mit seiner triphop-esken Rhythmisierung dann doch klar und deutlich als durchaus neuartiger Deine Lakaien-Sound empfiehlt.
Während ich mit „Six o’clock“ nicht allzu viel anfangen kann (ist aber zweifelsfrei ein Tanzflächen-Kracher) und mir „Go Away Bad Dreams“ ein wenig zu unspektakulär wirkt, bereitet das Ende des Albums insbesondere mit „The Old Man is dead“ noch eine besondere Überraschung für den Hörer. Ein bedrückendes Stück mit elektronischem Piano, Timpani, punktuellen Tropfen, geöffneten Weinflaschen, partiellem Plattenknistern und Stechschritt, zerschmetterten Gläsern, alten Chorgesängen, Schritten im Schnee, einem eingeschobenem Satz in Deutsch: Eine sehr beeindruckende Klangkollage.
„Indicator“ ist nicht modern. „Indicator“ ist nicht altmodisch. Es ist zeitlos, aber es öffnet – genau wie die Acoustic-Tour 2009/2010 – Türen zur eigenen Vergangenheit des Hörers. Alles klingt nach vergangenen Zeiten, nach der Wehmut der Jugend und der Melancholie früherer Zeiten. Mit viel Liebe zum Detail und dem Respekt vor dem eigenen Werk enthält „Indicator“ Stücke, die – jedes für sich – seinen Paten auf einem der vergangenen Deine Lakaien-Alben hat. Und dabei haben Deine Lakaien mehr gemacht als sich selbst zu kopieren oder neu zu erfinden. Es ist die konsequente natürliche Weiterentwicklung ohne sich selbst verkauft zu haben. Ihre Songs altern wie Menschen. Sie sind eben die alten geblieben, nur etwas reifer.
Chapeau!