Electronica (1) The Time Machine Hot
Musik
Hörspiegel-Meinung
Ein Mann, der mit elektronischer Musik Stadien gefüllt hat, Jahrzehnte bevor die ersten Tomorrowland-Festivals das Licht der Welt erblickten. Es gibt nicht viele Kandidaten, auf die diese Beschreibung zutrifft. Jean-Michel Jarre ist DER französische Elektronik-Pionier schlechthin. Seine spacig instrumentierten und oft leicht melancholischen Kompositionen liefen schon im deutschen Radio, lange bevor es die Genrebezeichnung „Electronica“ gab, als Musik noch analog erzeugt und aufgenommen wurde und Nena noch nicht einmal das Wort „Luftballon“ gedacht hatte.
Inzwischen geht JMJ auf die 70 zu (man sieht es ihm nicht an), und musikalisch hat er so ziemlich alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Und was macht der Mann? Ruhestand? Non, monsieur! Er erfindet sich selbst neu, schart eine große Gruppe von musikalischen Weggefährten und – man darf es ruhig so sagen – Erben um sich herum und schafft mit ihnen zusammen ein Album namens „Electronica (1) The Time Machine“. Es sind 16 elektronische Kollaborationen, bei denen er sich mit seinen Mitmusikern abgestimmt hat, in welche Richtung der eine oder andere Track gehen soll.
Dabei schimmern die Jarre- und die Gast-Elemente in unterschiedlicher Intensität durch. Die Namen der Kollaborateure sind so unterschiedlichen Musikrichtungen und Zeitaltern entnommen wie die Klänge und Atmosphären, die am Ende dabei herauskommen. Neben den Altmeistern Tangerine Dream, Vince Clarke, 3D (Massive Attack), Air oder Moby sind auch aktuelle DJs und Elektroniker wie Boys Noize, Armin van Buuren oder Gesaffelstein mit an Bord. Sehr überrascht war ich über die Zusammenarbeit mit Pete Townshend, John Carpenter und auch Lang Lang. Man sollte meinen, diese Mischung kann doch irgendwie nicht funktionieren. Pustekuchen! Klappt! Bestens sogar!
Und weil das Ergebnis so vielfältig ist, kann ich nicht mal eben drei Anspieltipps nennen, sondern möchte sie gern nach Untergenres sortieren:
Dance: „Stardust“ (feat. Armin van Buuren), „The Time Machine“ (feat. Boys Noize)
Electronica: „Watching You“ (feat. Massive Attack), "Conquistador" (feat. Gesaffelstein), --> letzteres ein Spätzünder, den man aber nicht mehr aus dem Kopf bekommt.
Vocal-Pop: „Glory“ (feat. M83)
Für JMJ-Puristen: „The Train & The River“ (feat. Lang Lang)
Und der absolute Oberhammer in Sachen Horror-Filmmusik: „A Question of Blood“ (feat. John Carpenter)
Hier aber noch die gesamte Tracklist für alle, die sich nicht entscheiden können:
1) The Time Machine (JMJ & Boys Noize)
2) Glory (JMJ & M83)
3) Close your eyes (JMJ & AIR)
4) Automatic (part 1) (JMJ & Vince Clarke)
5) Automatic (part 2) (JMJ & Vince Clarke)
6) If..! (JMJ & Little Boots)
7) Immortals (JMJ & Fuck Buttons)
8) Suns have gone (JMJ & Moby)
9) Conquistador (JMJ & Gesaffelstein)
10) Travelator (part 2) (JMJ & Pete Townshend)
11) Zero Gravity (JMJ & Tangerine Dream)
12) Rely on me (JMJ & Laurie Anderson)
13) Stardust (JMJ & Armin van Buuren)
14) Watching you (JMJ & 3D (Massive Attack))
15) A question of blood (JMJ & John Carpenter)
16) The train & the river (JMJ & Lang Lang)
Fazit: Sehr, sehr cooles Elektronik-Album, das sowohl JMJ-Fans gefallen dürfte als auch Freunden moderner Elektronik-Mucke mit und ohne Dance-Einschlag.