DEINE LAKAIEN: Acoustic 2009/2010

DEINE LAKAIEN: Acoustic 2009/2010 Hot

Nico Steckelberg   17. Januar 2010  
DEINE LAKAIEN: Acoustic 2009/2010

Bericht

Künstler
Veranstaltungsort
Veranstaltungsdatum
16. Januar 2010

Hörspiegel-Bericht

Es ist kalt im Dortmund des noch jungen Jahres 2010. Angetaute Schneereste türmen sich zu beiden Seiten der Ritterstraße. Vor dem FZW (Freizeitzentrum West) steht eine gewaltige Menschenmasse, hübsch ordentlich zu einer langen Schlange angeordnet, deren Ende ich irgendwo in der Dunkelheit in Höhe der Rheinischen Straße vermute. Doch kondensierender Atem und Schneemassen halten die Deine Lakaien-Fans nicht davon ab, dem heutigen, besonderen Konzerterlebnis entgegen zu fiebern. Das Konzert ist restlos ausverkauft!

Hat man es ins Innere des FZW geschafft, gelangt man zuerst zum Deine-Lakaien-Merchandising-Stand, wo sich der geneigte Sammler mit stylischen Textilien, Postern oder der einen oder anderen CD eindecken kann, die man im Handel oft vergebens sucht. Am Stand lasse ich mich von Queeny und Dea vom Colour-ize-Team (der offiziellen Deine Lakaien-Fanbase) auf das Konzert einstimmen, was meine persönliche Erwartungshaltung an den Abend nochmals erhöht.

Das Konzert ist bestuhlt: Hervorragend! Von den meisten Plätzen aus kann man die Bühne gut einsehen. Einige Gäste finden auch auf der Empore des FZW Platz. Auf der Bühne: Ein schwarzer Flügel nebst Hocker, ein Barhocker und ein Mikrofonständer. Dieses Bild gab es in der Geschichte von Deine Lakaien schon einmal, erstmals im Jahr 1992. Das ist nun 18 Jahre her, und das Bühnenbild lässt die positiven Erinnerungen an die erste Acoustic-Tour wieder aufleben. Wer damals nicht die Chance hatte, eines der akustischen Konzerte der (normalerweise) Dunkel-Elektronik-Avantgardisten zu besuchen, konnte zumindest auf dem Acoustic-Live-Album (1995) die dichte Atmosphäre der Konzertabende verspüren.

Und nun der Switch ins Jahr 2010: Die Herren Veljanov und Horn betreten die Bühne und stimmen das erste Stück an: „Love me to the End“ vom „Dark Star“-Album. Es ist ein gutes Omen, denn es ist derselbe Opener wie vor 15 Jahren. Und dieses Signal kommt auch beim Publikum an: Lehnt Euch zurück, hier seid Ihr richtig. Und das Tor zur Vergangenheit öffnet sich: Es hat sich nichts geändert. Das Stück hat in seiner akustischer Fassung nichts von seinem Charme verloren, und alles klingt wie 18 Jahre zuvor. Heile Welt!

Unter diesem positiven Stern wird das Konzert also eröffnet. Ein paar kurze, begrüßende Worte, und „The Game“ vom „Kasmodiah“-Album. Es wird bereits bei diesem zweiten Stück deutlich, welche Bandbreite an Genres in den Stücken der Lakaien steckt. Dies hier ist ein traurig-romantischer Chanson, emotional und mitreißend. Ernst Horn stimmt zu „Down, down, down“ (Album „Dark Star“) an, hält im Spiel inne. Schaut auf die Saiten des Flügels und entfernt die offenbar verrutschte Songliste. Allgemeine Erheiterung. Und von vorn bitte. Hier zeigt sich zum ersten Mal sehr plakativ, wie virtuos Ernst Horn auf den Tasten spielen kann, und was er aus dem Instrument heraus holt. Aber dazu soll es noch eine Steigerungsform geben, wie sich später herausstellt. „Down, down, down“ überrascht auch durch einen Part bewusster Disharmonien.

„Als nächstes – ein Lied! Dieses ist noch älter als das vorherige. Hoffentlich wird das nicht zum Motto unseres Lebens?!“ Ansagen wie diese – durchtränkt von kurzem, knackigem, trockenem Humor – kommen nun häuftiger vom Frontmann Alexander Veljanov. Und das steht in keinem Kontrast zur Melancholischen Musik. Das Dortmunder Publikum lacht sehr gern mit und freut sich über die verbalen Auflockerungen. „Wasted Years“ – ein weiteres Stück mit Chanson-Charakter – erklingt und man wird unweigerlich in die Zeiten des Debüt-Albums der Band (1986, „1st Album“) katapultiert. Beim nächsten Stück zeigt Ernst Horn, was man noch so alles mit einem Flügel machen kann: Er zupft die Klaviersaiten mit der Hand und erzeugt einen Klang, der so gänzlich ungewöhnlich ist. Damit leitet er das bezaubernde „Lonely“ ein (Mini-Album „2nd Star“).

Wie man mit einem Flügel und einem Drumstick ein authentisch klingendes Gewitter in eine Konzerthalle bringt, demonstriert Ernst Horn beim Intro für das nun folgende Lied: „The Mirror Men“ („1st Album“). Eine schweißtreibende Angelegenheit für den Pianisten, eine Hörherausforderung für das Publikum. Denn bei diesem Klassiker-Stück – das sich durch die Jahre als Eckpfeiler vieler Deine-Lakaien-Konzerte herausgebildet hat – kommen einige Elemente der Avantgarde und E-Musik sehr stark zum Tragen und verstören den populärmusikgewohnten Hörer ebenso wie sie das Auge des Zuschauers befriedigen: Hier steckt Bewegung drin, Aggression! Ein tosender Applaus, den sich insbesondere Ernst Horn durch sein – auch körperlich – anstrengendes Tastenspiel redlich verdient hat.

Harmonisch und emotional geht es weiter mit „Return“ („Kasmodiah“) und einem weiteren Chanson: „Follow me“ (Album „Forest Enter Exit“). Die trockene Luft im FZW nötigt die Musiker, sich mit ausreichend Getränken einzudecken. Alexander Veljanov versteht auch diese Alltagssituationen auflockernd zu kommentieren: „Ich trinke mein Lieblingswasser der Firma ‚Ja!‘. ... Und das als ‚Nein‘-Sager. .... So, weiter mit einem Lied.“ Nachdem sich das lachende Publikum beruhigt hat erklingen die ersten Akkorde eines gänzlich neuen , herbstlich eingefärbten Stückes: „One Night“.

Über die verschmähte Liebe im hohen Alter erzählt „Cupid’s Disease“ vom „Winter Fish Testosterone“-Album (1996). „Where you are“ folgt, allerdings zunächst ohne Alexander Veljanov, der offenkundig seinen Einsatz verpasst hat. Ernst Horn spielt die entsprechende Stelle des Stückes jedoch solange im Loop, bis der Sänger es irritiert wahrnimmt und sich ein Lachen nicht verkneifen kann. Sehr schönes Stück aus dem Jahr 2002 vom „White Lies“-Album. Danach reisen wir in das Jahr 2005 mit dem Song „Over and done“ vom „April Skies“-Album – mal dynamisch mit physisch manipuliertem Klavier, mal schwebend im Chorus. Und dann ... verabschieden sich Deine Lakaien von der Bühne. Es ist 21.00 Uhr, und ich möchte dringend noch mehr sehen, die Lust auf die melancholischen Klavierstücke hat mich vollends gepackt.

Natürlich gibt es eine Zugabe. Und nicht nur eine, soviel vorab. Mit „Danke, Bochum!“ tritt Alexander Veljanov erneut ans Mikrofon und wird von einigen der Dortmunder Gäste böse ausgebuht. Humorvolle Provokation gelungen, und natürlich hat das Publikum dies auch in den richtigen Hals bekommen. „Das ganze Ruhrgebiet ist schön!“ setzt Veljanov noch einen drauf. „Jetzt wird’s wieder ernst, bitte“.

Und ernst wird’s mit Ernst Horn, der anstimmt zu „2nd Sun“, einem bittersüßen Stück, das man ebenfalls vom 1995er Acoustic-Album kennt. Danach wird der Flügel wieder präpariert: Horn stellt und legt Glas- und Plastikflaschen auf die Saiten, drapiert noch den Drumstick und legt los: „Heart made to be mine“ („April Skies“). Das klingt nicht mehr nach einem Piano, so wie man es kennt. Toller Effekt!

Großer Applaus, die Lakaien verlassen zum zweiten Mal die Bühne und werden vom tosenden Publikum wieder zurück geholt um eine weitere Zugabe zu spielen: einen weiteren neuen Song, der die Spannung auf das in der Mache befindliche neue Lakaien-Album erhöht. „Who’d save the World if not you“ klingt überraschend positiv gestimmt und wirkt trotzdem wie ein typisches Lakaien-Stück. Danach ein echter Klassiker: „Dark Star“ vom gleichnamigen Album. Das Publikum gibt Standing Ovations.

Und obwohl sich die Band eigentlich verabschiedet hat, kommt sie noch einmal zurück und gibt eine letzte Zugabe: „Away“: Der passende Titel für das Ende eines solchen Konzertes, fasst er doch die Stimmung gut zusammen, die den Abend ausmachten: Das melancholische Schwelgen in schönen Erinnerungen. Natürlich hätte man sich noch viele andere Lakaien-Stücke im akustischen Gewand gewünscht, doch die präsentierte Auswahl war gut, stimmungsvoll und abwechslungsreich.

Ernst Horn und Alexander Veljanov alias Deine Lakaien haben es – ohne viel am zeitlosen Konzept ändern zu müssen – geschafft, die hervorragende Stimmung ihrer 1992er Acoustic-Tour in die heutige Zeit zu transponieren. Und das mit einem humorvollen, selbstironischen Augenzwinkern. Ein rundum gelungenes Konzert! Es sei jedem Freund dunkler Romantik und melancholischer Chansons empfohlen, die letzten noch folgenden Konzerte dieser Tour zu besuchen, es lohnt sich!

Weblink

http://www.deine-lakaien.com

http://www.colour-ize.com

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