Bates Motel Hot
Musik
Hörspiegel-Meinung
Manchmal gibt es sie, die kleinen Zeitkapseln, die einem einfach so über den Weg laufen. Egal, ob das die 30 Jahre alten Zeitungen sind, die man beim Renovieren unter dem Parkett findet oder die uralten Spielsachen, die einem beim Aufräumen des Dachbodens in die Hände fallen.
Ein solches Erlebnis muss auch Paul Roland gehabt haben, als ihm die Kompositionen zu seinem „neuen“ Album BATES MOTEL wieder einfielen. Das Albumprojekt war nämlich bereits für Mitte der 1980er Jahre geplant. Damals interviewte Paul in seiner Funktion als Musik-Journalist drei Mitglieder der legendären Band Velvet Underground. Man verstand sich gut, und – wer hätte es gedacht – es ergab sich der beidseitige Wunsch der Kooperation. Alles lief gut. Paul Roland komponierte Songs, die bei Nico, Sterling Morrison und Maureen Tucker gut ankamen. Dann folgte ein Tiefschlag dem anderen: Die in England aufgenommenen Tapes waren inkompatibel zu den US-amerikanischen Studioequipments, was zu Verzögerungen führte. Kurz darauf verstarb zunächst Sterling und danach Nico. Die Bänder und die Songs verschwanden in den Archiven. Oder besser: In der Zeitkapsel.
2012 hat Paul Roland eben diese Zeitkapsel wiedergefunden, geöffnet und die ganzen schönen alten Songs mit neuer Band eingespielt (darunter Pauls Sohn Joshua am Bass). Das Ergebnis: BATES MOTEL.
Aber nichts klingt hier neu. Die Kompositionen lassen sich für Paul-Roland-Fans tatsächlich recht einfach in den musikhistorischen Kontext irgendwo zwischen den Alben „Werewolves of London“, „Burnt Orchids“ und „Danse Macabre“ einordnen. Und auch der Sound klingt wie 1:1 aus jener Zeit. Ganz so als wäre es ein Remaster eines klassischen Roland-Albums.
Es gibt Rock-Songs („Tortured by the Daughter of Fu Manchu“, „I’m in Love with Myself“), Folk-Rock („The Wailing Well“, „Katmandu“, „Cain“), Rock’n Roll Rockabilly („How I escaped from Devil’s Island“, „Crazy“), ein bisschen Punk-Rock („I was a Teenage Zombie“) oder akustisch-atmosphärische Stücke wie “Kali” oder “Bates Motel”. Vor allem die Rockorgel hat eine zentrale Stellung auf diesem Album. Erinnerungen werden wach, vor allem an ältere PR-Songs. Aber man kann sich auch gut vorstellen, wie die Velvet Underground-Umsetzung hätte klingen können. Der Titeltrack erinnert mich an Deep Purples „Child in Time“, sehr atmosphärisch aufgebaut.
Textlich ist vieles auf Horror- und B-Movies ausgerichtet. Bela Lugosi und Boris Karloff lassen grüßen. Dieses Filmgenre mochte Paul Roland schon immer, und auf BATES MOTEL lebt er es einmal mehr aus. Roland-Fans werden ihre helle Freude haben!
Fazit: Nach dem sehr minimalistisch-akustischen „Grimm“-Album ist BATES MOTEL eine Erdung, eine bewusste Rückkehr in die Vergangenheit auf allen Ebenen: Komposition, Produktion, Instrumentierung, Text und grafischer Umsetzung.