Le Monde Saha Hot
Musik
Hörspiegel-Meinung
Nehl Aëlin ist auf der Bühne nicht nur Musikerin, sondern auch Puppenspielerin. Ihr Talent hat die Aufmerksamkeit von Kult-Regisseur Jean-Pierre Jeunet („Die fabelhafte Welt der Amélie“, „Delicatessen“, „Alien: Die Wiedergeburt“) erregt. Er produzierte ihr neues Album „Le Monde Saha“. Und diese Tatsache hat wiederum meine Aufmerksamkeit erregt.
Das Artwork der CD ist hell und zuckrig pink aufgemacht. Spinnen im Haar und weiß-rosa Haare lassen zunächst rein optisch Gothic-Dark-Dance-Vermutungen aufkeimen. Doch weit gefehlt. Nehl ist Singer-Songwriterin. Der Vergleich zu Tori Amos ist gar nicht so weit hergeholt, da die Rhythmik und der variable Stimmeinsatz vergleichbar sind.
Nehl Aëlin scheut sich nicht davor, auch starke elektronische Rhythmiken und Sounds in ihre pianobasierten Kompositionen einzubauen. Das gibt einen zusätzlichen Reiz zu der kindlich-alptraumhaften Atmosphäre der Lieder. Ein schönes Beispiel hierfür ist „Striking the Strings“.
Das Album ist in drei Episoden geteilt, jeweils mit 4-5 Stücken: „L’Enfer Avichi et les passions trompeuses“, „Fleur de Lotus“ und „Les Quatre Incommensurables“.
Der erste Teil des Albums enthält die typischen Amos-haften Stücke.
„Fleur de Lotus“ besticht durch seine asiatische Andersartigkeit. Die Texte sind hierbei auf Japanisch gehalten und entstammen dem Lotos-Sutra. Eine ganz andere Welt als die der ersten viel Lieder, wenngleich westliche Stimmungselemente und Songstrukturen verwendet werden und nicht rein asiatisch-puristisch gearbeitet wird. Insbesondere bei den Songs „Hojo takeka“ und „Yo tiende sona“ geht es in eine avantgardistisch-rituelle Richtung, die beim ersten Hören sehr seltsam erscheint.
Der dritte Part des Albums beginnt zunächst wie eine Kombination aus den ersten beiden Albenteilen. „Syren’s Gate“ klingt so als hätte Kate Bush sich beim Songwriting von einer Japan-Reise inspirieren lassen. Und dann verlässt Nehl Aëlin das Weltliche und taucht ein in eine Spielzeug-Alptraumwelt. Bei „N’cha“ singt sie mit kindhafter Stimme, während ein surrealer Tanzbeat mit lustigen Kinderlied-Elementen wie Xylophon, Flöte, Knarzen, Fieben u.a. dröhnt. Und es wird noch schräger. „Au village Pingouin“ enthält nicht nur Xylophon und Fingerschnipsen, sondern auch schräges Akkordeon mit kindhaftem „La la la“-Gesang, geht über in eine Cool-Jazz-Nummer à la Angelo Badalamentis Twin Peaks-Soundtrack. Ein echter Alptraum, der mich an die schräge Formation „When“ erinnert, und der in seinem Surrealismus nur noch vom letzten Stück des Albums übertroffen wird. Hierbei kann man die Puppen bereits vorm geistigen Auge tanzen sehen.
Wow, was für ein Special-Interest-Album. Eigentlich drei Alben in einem. Mit so vielen verschiedenen Facetten von Singer-Songwriter über Weltmusik bis hin zu Chanson und zirkushaftem Nightmare-Soundtrack. Gefällt bestimmt nicht jedem, ist es aber auf jedem Fall wert, sich damit zu beschäftigen.