Der Trinker Hot
Hörbuch
Rückentext
Ungeschminkt und mit Detailversessenheit schildert Hans Fallada den unaufhaltsamen Abstieg des erfolgreichen Kaufmannes Erwin Sommer. Die Tristesse des kleinbürgerlichen Milieus, einer „Welt voll Enge, Dumpfheit, Muffigkeit“ (Carl Zuckmayer) und dauernde belanglose Streitigkeiten mit seiner Frau, lassen ihn immer öfter zur Flasche greifen. Auf der Flucht vor der Realität und vor allem vor sich selbst, ruiniert er, dem „König Alkohol“ gnadenlos verfallen, schließlich sein Leben, fällt in immer tiefere Abgründe und zahlt als Preis für seine Schwäche die Verwüstung seiner Existenz...Hörspiegel-Meinung
Der Autor Hans Fallada hieß mit bürgerlichem Namen Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen und gilt als einer der bekanntesten Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zu seinen bekannten Büchern zählt neben „Kleiner Mann, was nun?“ auch der sehr persönliche Roman „Der Trinker“, welcher in vor einigen Jahren durch die Verfilmung mit Harald Juhnke in der Titelrolle zu erneuter Aufmerksamkeit gelangte.
„Der Trinker“ ist die Geschichte des 40-jährigen Geschäftsmanns Erwin Sommer. Eigentlich ist alles in Ordnung. Seine Ehe könnte zwar ein wenig besser laufen, und seit seine Frau das eheliche Geschäft verlassen hat, könnte auch dieses besser laufen. Aber eigentlich hat Sommer keinen Grund, sich zu beklagen. Doch Sommer trifft Fehlentscheidungen. Wo seine Frau die geschäftlichen Partnerschaften mit Charme und Vertriebsstärke pflegte, handelt sich Sommer mit seinem selbstüberschätzenden und jähzornigen Charakter zunehmend Ärger ein und Verliert einen lebenswichtigen Großauftrag. Er verschweigt sein tragisches Missgeschick (dessen Schuld er allen anderen, nur nicht sich selbst eingesteht) vor seiner Frau und tut als sei nichts geschehen. Doch sich selbst kann er nichts vormachen, und so findet er Trost beim Alkohol. Eine rasante Trinker-Karriere bahnt sich an. Mit allen Facetten, die diese mit sich bringt.
Während seine Frau versucht, die Situation – geschäftlich wie gesundheitlich – so gut wie möglich zu retten, verbittert Sommer zusehends. Er wird immer öfter cholerisch, verscherzt sich seine letzten Geschäftspartner, versteckt sich vor seiner Frau und dem Rest der Welt im Berliner Scheunenviertel. Doch sein Drang nach Alkohol zwingt ihn dazu, Geld zu beschaffen. Die Tage bestehen nur noch darin, zu trinken. Flaschenweise. In einem halbwegs klaren Moment bestiehlt er seine Frau, klaut das Tafelsilber, verscherbelt seinen Ehering. Doch er wird übers Ohr gehauen und das halbe eheliche Vermögen geht den Bach herunter.
Zu schlechter Letzt wird Sommer von seiner Frau beim Einbruch in das eigene Haus überrascht, und Sommer droht ihr an, sie zu ermorden. Sie zeigt ihn an, und er gelangt ins Untersuchungsgefängnis. Und hier beginnt erst die eigentliche Abwärtsspirale. Sommers ohnehin schon schwacher Charakter und sein Willen werden nach und nach gebrochen. Er trifft auf finstere und rohe Gesellen, die ihm das Leben zur Hölle machen. Als er dann in eine Heilanstalt verlegt wird, weiß er, dass es schlimmeres gibt als Gefängnis. Als geistig gesunder Mensch ein einem Irrenhaus unter Mangelernährung zu erkranken und keinen Ausweg zu sehen.
„Der Trinker“ ist ein äußerst bewegender Roman. Im Guten wie im Schlechten. Mal möchte man aufheulen vor der Ungerechtigkeit, die dem alkoholkranken Sommer widerfährt, mal möchte man den Kopf schütteln vor dessen Engstirnigkeit und Versessenheit, die ihn jegliche Chance den Bach herunter spülen lässt. Und das Ende ist überhaupt das Schlimmste! Hatte Fallada den Leser nach und nach einen kleinen Hoffnungsschimmer erahnen lassen, so zeigt er ihm doch, dass „Trinker“ unberechenbar sind.
Das wirklich Erschütternde an dem Roman ist die Erkenntnis, die mich getroffen hat, als ich im Nachgang Falladas Biografie studierte: „Der Trinker“ weist starke Parallelen zu seinem eigenen Leben auf. Der Roman entstand 1944 während Falladas Haft in der Landesanstalt Strelitz. Veröffentlicht wurde er erst posthum im Jahre 1950, drei Jahre nach seinem Tod.
Bei der Edition Apollon erscheint „Der Trinker“ ungekürzt auf 8 CDs. Interpret des Romans ist der Schauspieler Christian Melchert. Er liest das Buch leise und unauffällig, an den entscheidenden Stellen impulsiv und verbittert. Melchert schafft eine starke Realitätsnähe und stellt seine Interpretation nicht vor die Geschichte, sondern unterstreicht sie mit professioneller Zurückhaltung. Besser kann man einen solchen Stoff nicht lesen.
Hans Falladas Roman als Hörbuch ist niederschmetternd, keine Frage. Doch er stellt mit psychologischem Feingespür und einer sehr konkreten Auffassungsgabe ein so detailgetreues Bild der der Denkweisen eines alkoholkranken Menschen dar und zeigt gleichzeitig einen interessanten Einblick in das gesellschaftliche Verhalten sowie die soziokulturellen Missstände der 1930er/40er Jahre auf, dass man vor dem Können dieses Schriftstellers nur den Hut ziehen kann. Ein ganz hervorragendes Hörbuch.
Intensiv, verstörend, bewegend.