Sky Void Of Stars Hot
Alina Jensch
20. März 2023
Musik
Interpret/Band
Unter-Genre
Label
Veröffentlichungs- Datum
20. Januar 2023
Format
- CD
- Vinyl
Hörspiegel-Meinung
Alina Jensch
Gesamtwertung
10,0
Passend zum dreißigsten Jubiläum ihres Debütalbums „Dance Of December Souls“ haben KATATONIA ihr mittlerweile zwölftes Studioalbum „Sky Void Of Stars“ veröffentlicht. Diese Rezension kommt zwar reichlich spät – nachdem die Platte es auf den 5. Platz der Deutschen Albumcharts geschafft, und die Band die Bühnen der Republik beehrt hat – aber so leicht entwischen die düsteren Schweden dem Hörspiegel nicht.
Kurz nach Beginn der Pandemie hatte das Quintett wider Bedenken angesichts der unsicheren Gesamtsituation ihr letztes Album „City Burials“ auf den Markt gebracht, welches sie bisher kaum auf die Bühne bringen und wie üblich würdigen konnten. Umso überraschender, dass nun weniger als drei Jahre später schon das nächste Album folgt und damit den diesjährigen Tourenzyklus für sich einnimmt, den Fans eigentlich unter dem Banner des Vorgängers erwartet hätten (und damit waren sie anscheinend nicht allein, denn die kürzlich vollendete Co-Headline Europatour mit SÓLSTAFIR hieß schließlich „Twilight Burials“). In der Zwischenzeit hat die Band auch ihre über zwanzigjährige Zusammenarbeit mit Peaceville beendet und den nächsten Schritt zum österreichischen Schwergewicht Napalm Records gewagt. Und so lautete das Motto wohl: neues Label, neues Jahr, neues Album!
Genau wie schon der Vorgänger, wurde auch „Sky Void Of Stars“ gänzlich von Sänger Jonas Renkse geschrieben, stellt aber wieder verstärkt die KATATONIA-typischen Gitarren in den Vordergrund, ist insgesamt härter und wirkt weitaus gradliniger als „City Burials“. Schon beim ersten Anhören der vorab veröffentlichten Singles „Atrium“, „Birds“ und „Austerity“ machte sich der Unterschied bemerkbar und versprach ein packend düsteres und kraftvolles Gesamtwerk, das aus dem Vollen des Erfahrungsschatzes der Band schöpft. Das Amalgam vielseitiger stilistischer Einflüsse und selbstbewusster Experimentierfreude haben der Band längst ihren ganz individuellen, unverkennbaren Sound beschert – und auch auf „Sky Void Of Stars“ suchen KATATONIA nicht nach sich selbst, sondern bauen ihr Vermächtnis aus und entwickeln sich organisch weiter. Weniger verträumt und offensiv progressiv als noch vor drei Jahren, schimmert in den neuen Songs wieder mehr Feuer durch die Melancholie und beschert in Kombination mit stärkeren Melodien eine ganze Reihe eingängiger Songs, die geradezu für die Bühne gemacht zu sein scheinen.
So eröffnet das neue Album direkt mit dem Brett „Austerity“, welches mutiger Weise mit Jonas Renkses Stimme beginnt, und mit seinen harschen Strophen eine düstere, unbarmherzige Stimmung erzeugt, die vom unerwartet melodiösen und geradezu epischen Refrain kontrastiert wird. Kraftvoll und schwer geht es dann mit dem deutlich langsameren und pulsierenden „Colossal Shade“ weiter, welches das Thema unterschwelliger und bedrohlicher Atmosphäre im Kontrast mit eingängigen Refrains gekonnt fortführt. Zwei der drei wohl eingängigsten Songs folgen alsdann im Doppelpack: Das im Vergleich eher verträumte und emotional ergreifende „Opaline“, das sich besonders in seinem Intro hat spürbar von KENT inspirieren lassen, und das flottere „Birds“, das mit seiner Rockattitüde und prominenten Leadgitarre den Geist von „Behind The Blood“ wieder aufleben lässt und Erinnerungen an PARADISE LOST weckt. Der klassischste Hit, sofern man denn davon sprechen kann, ist aber das gegen Ende des Albums positionierte „Atrium“, welcher sofort im Ohr hängen bleibt.
Wer besonders die etwas verquerer strukturierten, proggigeren Stücke des Bandkatalogs schätzt, kommt mit dem experimentelleren „Drab Moon“ und dem sehr schweren und finsteren „No Beacon To Illuminate Our Fall“ voll auf seine Kosten. Mit Joel Ekelöf (SOEN) hat sich auch für „Sky Void Of Stars“ wieder ein Duettpartner gefunden, der die etwas minimalistischer arrangierte doomige Ballade „Impermanence“ gut abrundet. Das darauf folgende, ebenfalls langsamere „Sclera“ passt gut dazu, welches besonders für seine emotional genial inszenierte Bridge gelobt werden muss! Insgesamt wird mit den 10 Songs des Albums also wieder die gesamte Bandbreite von KATATONIAs Können abgedeckt. Auch der Bonus Track, „Absconder“, eine schwermütige, keyboardlastige Nummer, weiß mit seiner dichten Atmosphäre zu überzeugen.
Einfallslos oder abgedroschen kommt „Sky Void Of Stars“ dabei aber keineswegs herüber. Ganz im Gegenteil: die gewohnte Vielschichtigkeit, das komplexe Songwriting und die teilweise unerwartete Instrumentalisierung brauchen durchaus Zeit sich zu entfalten und zu offenbaren. Trotz des Wiederaufgreifens bekannter Elemente, Stimmungen und Themen, und des verblüffend hohen Maßes an Eingängigkeit, klingt das Album neuartig und frisch. Im Vergleich zum Vorgänger ist es weitaus melodie- und gitarrenlastiger, was ihm einen besseren Fluss und mehr Intensität verleiht und es tatsächlich stärker nach typischen KATATONIA klingen lässt. Auch die zunächst vielleicht etwas sperrig scheinenden Momente packen einen nach nur wenigen Durchgängen und entführen in die atmosphärische, von Abschied, Verlust und Trauer geprägte Finsternis KATATONIAs. So emotional gepackt wie „Sky Void Of Stars“ hat mich schon lange kein Album mehr.
Für den Sound hat man die Songs auch diesmal wieder in die fähigen Hände Jacob Hansens gegeben, der das immersive Hörerlebnis auf Hochglanz poliert und raffinierte Details ins rechte Licht gerückt hat. Schon seit einigen Jahren geben sich die Schweden mit nicht weniger als Perfektion zufrieden, wenn es um den Klang ihrer Veröffentlichungen geht, doch während mir „City Burials“ stellenweise etwas zu überproduziert war und organischen Charakter vermissen ließ, passt hier wirklich alles.
Was bleibt abschließend zu sagen, außer erneut den Hut zu ziehen vor den völlig zurecht geadelten Meistern der Melancholie, die ein ums andere Mal beweisen, dass sie ihr Handwerk souverän beherrschen und noch genug Verve und Visionen haben, um ihrem Schaffen stets neue Facetten zu verleihen. Viva Katatonia!