Kassia Hot
Musik
Hörspiegel-Meinung
Um die Musik von Voca Me zu beschreiben, ist der nachfolgende Auszug aus dem Informationsblatt sehr passend: „Bislang galten die Werke von Hildegard von Bingen (1098-1179) als die frühesten überlieferten Kompositionen einer Frau. Nur wenigen Kennern war dagegen der Name Kassia (ca. 810 - vor 867) ein Begriff, bis Michael Popp, Kenner und Interpret mittelalterlicher Musik, mit einem Antiquar ins Gespräch kam, der ihn auf Kassia aufmerksam machte. Er stellte den Kontakt zu der amerikanischen Wissenschaftlerin Diane Touliatos her, die seit Jahren das Werk Kassias ediert und eine international anerkannte Expertin auf diesem Gebiet ist. Popp begriff schnell, welcher musikalische Schatz hier zu heben war, und formte eigens das hochkarätig besetzte Ensemble VocaMe aus renommierten Sängerinnen der Alte Musik-Szene: Sigrid Hausen, Natalia Lincoln, Sabine Lutzenberger, Sarah M. Newman, Elisabeth Pawelke und Gerlinde Sämann leihen den mehr als tausend Jahren alten Gesängen Kassias ihre Stimmen. Michael Popp, der Leiter des Ensembles und Johann Bengen begleiten auf verschiedenen mittelalterlichen Instrumenten. Das Ensemble bringt mit der weltweit ersten Einspielung von Kassias Hymnen ihre faszinierenden Melodien nicht nur wieder zurück ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit, sondern erweckt sie auch zu neuem Leben. Die einfühlsamen Arrangements und die eindringlichen Stimmen von VocaMe entführen den Hörer in eine ferne Zeit und die vergangene Welt der byzantinischen Kultur. Eine Entdeckung nicht nur für Liebhaber oder Spezialisten früher Musik!“
Nun, Kennern der schwarzen Musik-Szene werden viele Namen bekannt vorkommen. Michael Popp ist ehemaliger Deine-Lakaien-Musiker und seit Jahren Songwriter der Mittelalter-Elektro-Band Qntal, deren charismatische Stimme der Sängerin Syrah alias Sigrid Hausen auch bei Voca Me stark ins Gewicht fällt. Gerlinde Sämann und Sabine Lutzenberger sind bekannt als die Stimmen von Ernst Horns („Deine Lakaien“) Mittelalter-Electro-Projekt „Helium Vola“. Natalia Lincoln und Sarah M. Newman sangen bei den US-Darkwavern von „Unto Ashes“ und Elisabeth Pawelke ist nicht zuletzt durch die Formation „Faun“ bekannt, die sie jüngst verließ.
Nun vermag man sich bei all diesen – teilweise sehr modern-elektronischen – musikalischen Einflüssen nur schwer vorzustellen, dass es sich um ein authentisches, akustisches Album handelt. Doch genauso ist es. „Kassia“ ist ein sehr thematisches Album, es weicht mit keiner Silbe von seiner professionellen Linie ab. Zum Großteil basiert es auf dem weiblichen Gesang des All-Star-Ensembles. Die Geschichten hinter den Stücken sind im umfassenden Booklet in drei Sprachen ausführlich beschrieben, und so kauft man mit „Kassia“ nicht nur ein Stück sehr alte und fast vergessene Musik, man kauft ein historisches und Geschichtenbuch mit akustischer Untermalung.
Leicht zugänglich ist die Musik nicht, das muss man klar sagen. Sie ist eben weder Pop noch Rock und ist hunderte von Jahren alt. Aber wer sich konzentriert auf den Musikgenuss einlässt – und diesen Anspruch hat das Album – der wird belohnt mit einer musikalischen Zeitreise ins byzantinische Reich. Sehr beeindruckend.