The Endless River Hot
Musik
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Hörspiegel-Meinung
Was soll man dazu sagen? 21 Jahre Wartezeit!
Die Hoffnungen der Fans auf ein neues Pink Floyd-Album waren weitestgehend längst zerschlagen. Und nun das: David Gilmour und Nick Mason erinnern sich an fast vergessene Aufnahmen aus den 1993/94er „Division Bell“-Sessions, die noch gemeinsam mit Richard Wright entstanden, dem 2008 verstorbenen Keyboarder der Band. Im vergangenen Jahr restaurierten, klebten, polierten und rekonzipierten Gilmour und Mason die Aufnahmen, nahmen neue Elemente auf und fügten sie zu einem neuen Konzept zusammen.
„The Endless River“ heißt das neue Werk, das vermutlich auch das letzte der Band sein wird. Denn ohne Richard Wright kein Pink Floyd. Es gibt mehrere Boxsets des Albums. Die uns vorliegende DVD-Box enthält neben dem Album ein Buch mit Fotos der Session-Aufnahmen und drei Sammler-Postkarten. Die DVD enthält neben einem 5.1-Surround-Mix aller Stücke einen audio-visuellen Part, der weitere Musik und Mixe beinhaltet. Fabelhafte Aufmachung und Zusammenstellung, die das grafische Gesamtkonzept der Band hervorragend ergänzt.
Als das die Nachricht über ein neues Studioalbum sich viral im Internet verbreitete, stiegen die Erwartungen der Pink Floyd-Fans ins schier unermessliche. Wenn man nun die ersten Klänge hört, beginnt jedoch auf der Stelle eine gezielte Entschleunigung und Entkoppelung von allen Erwartungen. Es gibt nahezu keine Vocals, kaum eine Pop-Attitüde wie sie „The Wall“, „A Momentary Lapse of Reason“ oder „The Division Bell“ aufwiesen. Dies hier ist wortlose, in Musik ausgedrückte Sprache.
Die Gliederung der 18 Stücke in vier „Sides“ markiert den roten Faden. Es gibt leichte Parallelen zum Mutter-Album „The Division Bell“, in dessen Schatten „The Endless River“ entstand. Nicht zuletzt der Titel ist ein Zitat aus dem letzen Song jenes Albums, „High Hopes“. Auch der Physiker Stephen Hawking, besser gesagt, seine Roboterstimme, meldet sich erneut zu Wort. Man meint auch ein paar Kirchenglocken zu hören, die man von „früher“ kennt. Damit enden aber auch schon die offensichtlichen Gemeinsamkeiten. „The Endless River“ ist vielmehr eine Rückkehr zu den langen instrumentalen Passagen der alten psychedelischen Ära der Band. Sich aufbauende Solo-Parts mit stark perkussivem Backbone wie beispielsweise beim Stück „Skins“ hat man lange nicht mehr vernommen. „Allons-y“ wiederum erinnert uns an „Another Brick in the Wall“ und verursacht Gänsehaut.
Es ist bezeichnend, dass das erste gesprochene Wort dieses Albums in Track 14 erklingt: Es ist die Computerstimme von Stephen Hawking. Manchmal wünscht man sich händeringend, dass sich David Gilmour doch noch einmal öfter zu ein paar schönen Vocallines durchgerungen hätte, wie beispielsweise beim erhebenden „Anisina“. Er singt viele Backings und Chöre, aber niemals eine Leadstimme. Bis auf eine Ausnahme: „Louder Than Words“, das einzige gesungene Lied des Albums aus der Feder von David Gilmour und Polly Samson. Das wiederum klingt 1:1 als käme es direkt vom „Division Bell“-Album.
Am Ende ist „The Endless River“ auch ein Stück Trauerbewältigung. Die Stücke vermitteln einen deutlichen Eindruck davon, wie sie geklungen hätten, wäre die Band noch vollständig und hätte man die alten Konzepte weiterverfolgt. Man hört David Gilmour stellenweise im geistigen Ohr singen, obwohl da kein Gesang ist. Man weiß, wie es klingen müsste. Und dieses fehlende Element, dieses leuchtend umrahmte Loch, steht sinnbildlich für das Fehlen von Freunden wie Richard Wright. Das Album vermittelt dies auf eine gänzlich positive Art.
„The Endless River“ ist vieles. Ein Requiem. Ein Flickenteppich. Eine Fundgrube. Ein Wiedersehen. Erinnerung! Und allen voran ist es das abrundende Abschlusswerk einer Band, die die Musikwelt wesentlich geprägt hat.