Classical 90s Dance Hot
Nico Steckelberg
07. Oktober 2017
Musik
Interpret/Band
Veröffentlichungs- Datum
06. Oktober 2017
Format
Download
Hörspiegel-Meinung
Nico Steckelberg
Gesamtwertung
8,0
Was war das noch mal für ein Jahrzehnt, in dem die Musik aus der Retorte kam und die Schuhsohlen so hoch wie Mauersteine? Ach ja, die Neunziger! Viva el Techno! Wer in jener Zeit seine Pubertät erleben durfte, der wurde quasi zugeschüttet mit einfachen Texten, süffigen Melodien und einem Beat, der das Stammhirn auf molekularebene ansprach. Denn so funktionierten Techno und Dancefloor: Einfach und für die breite Masse.
So, Schluss jetzt. Mit all diesen Klischees möchte Produzent und U96-Mastermind Alex Christensen ein für alle Mal brechen. Er schnappte sich dazu ein Sinfonieorchester, The Berlin Orchestra, um exakt zu sein, und ließ einige der bekanntesten Eurobeat- und Dance-Klassiker der Nineties re-arrangieren. Wo früher Sampledatenbanken und miese Synthies erklangen, geben nun Streicher, Piano und Blechbläser ihr Bestes. Unfassbar, aber das Konzept greift: Schon beim Opener „Rhythm is a Dancer“ muss man staunend zugeben, dass die Komposition, das Arrangement und der Sound absolut kinotauglich sind und gerne auch mal Gänsehaut erwecken dürfen.
Die Stücke müssen sehr straight auf Klick gespielt worden sein, denn Christensen legt über die Orchester-Spur wuchtige Beats, teilweise elektronische Bässe oder Synthie-Ergänzungen. Allerdings ohne, dass diese dabei zu stark in den Vordergrund rücken. Für die Vocallines wurden junge Sängerinnen engagiert. Diese Vocals allerdings – insbesondere die unterirdischen Texte – machen das Album dann doch wieder profan. Wäre es instrumental geblieben, hätte es mehr Charme gehabt.
Aber auch so ist es ein tolles Hörerlebnis, ob man Techno nun mag oder nicht, es macht Spaß, zu analysieren, wie Christensen die alten Schätzchen restauriert und auch die Rhythmik teilweise modernisiert hat. So hat „Children“ von Robert Miles jetzt beispielsweise einen frischen Dubstep-Charakter erhalten. Und wer hätte gedacht, dass „No Limits“ von 2Unlimited mal so etwas wie eine Spannungskurve aufweisen könnte? Gänsehaut dann bei – ja, ich gebe es ja zu!! – „What is Love?“. Schlichtweg großartig arrangiert.
Experiment gelungen.