Arkadien erwacht Hot

Nach seinen Fantasy-Trilogien „Merle“, „Die Wellenläufer“, „Das Wolkenvolk“ und „Die Sturmkönige“ kehrt Kai Meyer – zum ersten Mal seit Jahren – in einem seiner Romane wieder in die Jetztzeit zurück. „Arkadien erwacht“ heißt das Buch, und es ist der Auftakt zu einer Reihe von Romanen um das jugendliche Mädchen / die junge Erwachsene Rosa Alcantara und den Jungen, in den sie sich mehr und mehr verliebt: Alessandro Carnevare.

Rosa reist aus den USA nach Sizilen und lernt während der Reise Alessandro kennen. In Sizilien angelangt eröffnet sich für Rosa eine neue Welt. Nicht nur, dass sie Familienmitglied eines Mafiaclans ist, zu allem Überfluss gehört ebenfalls Alessandro der sizilianischen Mafia an. Leider allerdings einer verfeindeten Familie. Und so entsteht auf der emotionalen Ebene eine klassische Romeo-und-Julia-Geschichte mit modernen Figuren. Auf der erzählerischen Ebene wäre es kein Kai-Meyer-Roman, fände sich hier kein phantastisches Element. Und so ist es auch, denn die Mafia-Clans dienen dem Zweck, das eigentliche Geheimnis der Familien zu verdecken: Die Alcantaras und Carnevares sind Gestaltwandler unterschiedlicher Gattungen – Menschen, die sich in Tiere verwandeln. Rosa muss lernen, mit dieser Gabe umzugehen, die vor allem durch starke emotionale Reaktionen ausgelöst wird. Doch das ist alles andere als leicht, alle Welt hat sich gegen Rosas und Alessandros Liebe gestellt, und die Brutalität der verfeindeten Clans nimmt rapide zu. Viel Blut fließt, und die Liebe, die eigentlich keine sein darf, wird immer unerreichbarer.

Es ist nicht leicht, diesen Roman einzuordnen. Der CARLSEN Verlag siedelt ihn in dem „Fantasy für junge Erwachsene“-Genre ein, im Marketing werden bewusst Parallelen zu Stephenie Meyers „Bis(s)...“-Reihe gesucht. Lassen Sie sich als Leser davon bitte nicht irritieren. Dunkle Romantik, ja. Verzwickte Liebesgeschichte auch. Aber das waren dann auch schon die Parallelen zwischen Meyer und Meyer. „Arkadien“ ist keine Vampirserie, sondern etwas völlig Eigenständiges.

Wahrscheinlich ist es das bislang emotionalste Buch Kai Meyers. Während es in seinen Jugend-Trilogien stets ein zentrales, abenteuerliches Ziel zu erreichen gilt und die Liebe zwar vorhanden ist, aber eher eine dahinter zurück stehende Rolle spielt, ist sie bei „Arkadien erwacht“ mindestens gleichbedeutend, wenn nicht sogar der Mittelpunkt der Erzählung. Und die abenteuerliche Suche, der „Quest“, rückt ein Stück in den Hintergrund. Gerade hier zeigt sich leider die Tücke der Hörbuch-Umsetzung der Edition Silberfisch aus dem Hause Hörbuch Hamburg. Die Romanvorlage wurde – vergleicht man Hörbuch und Buch mit einander – drastisch gekürzt. Und da bleiben eben viele der Emotionen auf der Strecke, die Rosa Alcantara zur „eigenen Lieblingsfigur“ des Autors werden lässt. Die Psyche der Protagonistin ist verschachtelt und authentisch konzipiert. Das kommt im Hörbuch nur ansatzweise so gut beim Hörer an wie beim Leser des Buches. Sehr schade. Die vergleichsweise niedrige Bewertung der „Story“ in der Hörspiegelskala resultiert daher aus den Skript-Kürzungen der Hörbuchfassung, nicht aus der fesselnden Geschichte an sich.

Gelesen wird das Hörbuch von Kai-Meyer-Stammsprecher Andreas Fröhlich. Bestmögliche Wahl, wenngleich es mich verwundert hat, dass keine weibliche Interpretin engagiert wurde. Denn das Hörbuch wird ausschließlich aus Rosas Sicht erzählt. Aber ich freue mich, dass Andreas Fröhlich sich durchsetzen konnte.

Mit „Arkadien erwacht“ erreicht Kai Meyer ein neues erzählerisches Level. Es spricht erwachsene Leser auf literarischer Ebene ebenso an wie jüngere Leser auf der rasant-abenteuerlichen Ebene. Ein universelles Buch, das Leser verschiedener Genre-Herkünfte erreichen kann und hoffentlich viele Folgebände ermöglicht.

Mehr zu den Arbeiten am 2. Band von Arkadien gibt es regelmäßig vom Autor selbst in seinem Twitter-Blog: http://www.Twitter.com/KaiMeyer . Hier meldet sich von Zeit zu Zeit auch Rosa Alcantara persönlich zu Wort. Unbedingt anschauen!