Der goldene Handschuh Hot
Nico Steckelberg
22. Juni 2019
Hörspiel
Autor
Sprecher
Hörspiellabel/Verlag
Erscheinungsjahr
Format
- CD
- Streaming
Anzahl Medien
1
Rückentext
Fritz Honka: Für die in den 70er Jahren aufgewachsenen Deutschen das Schreckgespenst ihrer Kindheit, ein Frauenmörder aus der untersten Unterschicht. Honka rekrutierte seine Opfer aus der Hamburger Absturzkneipe "Zum Goldenen Handschuh". In dieses Milieu taucht Strunk tief ein, leuchtet die infernalische Nachtwelt von Kiez, Kneipe, Abbruchquartier bis in die letzten schäbigen Winkel aus, skizziert die Profile der Verlorenen, die hier umherschlurfen und sich ins Koma saufen. Mit erzählerischem Furor, historischer Genauigkeit und Mitgefühl zeichnet er das Bild einer Welt, in der nicht nur der Täter gerichtsnotorisch war, sondern auch seine unglücklichen Opfer.
Hörspiegel-Meinung
Nico Steckelberg
Story/Inhalt
9,0
Atmosphäre
10,0
Sprecher
10,0
Soundtrack
10,0
Aufmachung
8,0
Gesamtwertung
9,4
Als ich 2016 erstmals Heinz Strunks Hörbuch „Der Goldene Handschuh“ hörte, hatte es mich voll erwischt. Ich hatte den klassischen Fehler begangen: Ein Hörbuch einzulegen, ohne den Rückentext gelesen zu haben. Bei Heinz Strunk hatte ich vieles erwartet, aber nicht dies. Er schrieb eine Story über die Geistergestalten des Kietz‘. Natürlich in seiner unnachahmlichen Art. Und doch ist es ein völlig ernsthafter und erschütternder Einblick in die schwärzesten Ecken, die die menschliche Seele zu bieten hat. Was schlimmer sein mag? Der Ekel, die Entmenschlichung der Protagonisten oder der Gedanke, dass das alles vielleicht auch in Wirklichkeit passieren könnte? Und dann der Blick auf den Rückentext: Das hier ist keine fiktive Geschichte! Den Serienkiller Fritz Honka gab es tatsächlich. Und Heinz Strunk hat die Realität beschrieben, so wie er sie sich in der Gedankenwelt des Mörders vorgestellt hat. Unfassbar! Wie schlimm ist das denn? Oh Gott, oh Gott, oh Gott! Das macht diesen wortgewordenen Alptraum noch einmal um etliche Stufen schlimmer.
Was Heinz Strunk hier mit teilweise einfachen Worten und in seiner stets latenten Witzigkeit schafft, ist ganz große Erzählkunst. Er bringt uns einen Menschen persönlich näher, den wir nicht kennen wollen, dessen Gedanken uns abstoßen, dessen Handlungen völlig unverständlich sind. Doch Heinz Strunk macht jede Handlung nachvollziehbar. Und das ist das eigentlich Schlimme daran. Als Hörer wird man direkt in die Welt dieser Unterschicht-Kneipe namens „Goldener Handschuh“ hineingezogen, in der sich Fritz Honka seine Opfer gesucht hat: Alte, obdachlose, alkoholkranke, zur Prostitution neigende Frauen, die sich selbst schon lang aufgegeben haben und die für Schnaps und ein wenig Essen alles mit sich machen lassen. Es klingt wie London Whitechapel 1888, aber es ist Hamburg in den Siebzigern. Man kann nur den Hut vor dem Autor Heinz Strunk ziehen und ihn gleichzeitig dafür hassen, dass seine Leser diese Bilder und Gerüche nicht mehr aus dem Kopf bekommen.
Die Verfilmung des Stoffs im Jahr 2018 durch Fatih Akin stieß auf gemischte Kritiken. Die Hörspieladaption von Martin Zylka mit der Musik von Andreas Bick stammt aus dem Erscheinungsjahr des Buches, 2016, und erscheint nun beim Audio Verlag im Handel.
Das Hörspiel ist ganz fabelhaft geworden. Es fängt die Geräusche des Goldenen Handschuhs vorzüglich ein. Im Hintergrund laufen Schlagerschnulzen der 70er-Jahre, im Vordergrund pöbelt Fritz Honka, gespielt von einem erschreckend authentischen Lars Rudolph, auf unterstem Unterschichtenniveau seine zukünftige Opfer an und schmiedet Pläne, sie zu versklaven. Erzählt wird das Hörspiel am roten Faden der späteren Gerichtsverhandlung entlang, was einen guten Spannungsbogen bietet. O-Ton-Beschreibungen des Tatorts und von Leichenfunden bringen auch hier den Realitätsschock ins Bewusstsein der Hörer.
Deshalb gilt auch für die Hörspiel-Vertonung des Stoffes: „Der Goldene Handschuh“ ist nichts für schwache Gemüter. Gestank, Gewalt, extreme Sexualität, Zwangsgedanken, unverarbeitete Traumatisierung, Geisteskrankheit und ein Leben jenseits des sozialen Absturzes bilden hier eine wabernde Masse, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, sobald sie sich einmal dort eingenistet hat. Genial geschrieben und eindringlich dargestellt in Dialog und Ton vom NDR.
Was Heinz Strunk hier mit teilweise einfachen Worten und in seiner stets latenten Witzigkeit schafft, ist ganz große Erzählkunst. Er bringt uns einen Menschen persönlich näher, den wir nicht kennen wollen, dessen Gedanken uns abstoßen, dessen Handlungen völlig unverständlich sind. Doch Heinz Strunk macht jede Handlung nachvollziehbar. Und das ist das eigentlich Schlimme daran. Als Hörer wird man direkt in die Welt dieser Unterschicht-Kneipe namens „Goldener Handschuh“ hineingezogen, in der sich Fritz Honka seine Opfer gesucht hat: Alte, obdachlose, alkoholkranke, zur Prostitution neigende Frauen, die sich selbst schon lang aufgegeben haben und die für Schnaps und ein wenig Essen alles mit sich machen lassen. Es klingt wie London Whitechapel 1888, aber es ist Hamburg in den Siebzigern. Man kann nur den Hut vor dem Autor Heinz Strunk ziehen und ihn gleichzeitig dafür hassen, dass seine Leser diese Bilder und Gerüche nicht mehr aus dem Kopf bekommen.
Die Verfilmung des Stoffs im Jahr 2018 durch Fatih Akin stieß auf gemischte Kritiken. Die Hörspieladaption von Martin Zylka mit der Musik von Andreas Bick stammt aus dem Erscheinungsjahr des Buches, 2016, und erscheint nun beim Audio Verlag im Handel.
Das Hörspiel ist ganz fabelhaft geworden. Es fängt die Geräusche des Goldenen Handschuhs vorzüglich ein. Im Hintergrund laufen Schlagerschnulzen der 70er-Jahre, im Vordergrund pöbelt Fritz Honka, gespielt von einem erschreckend authentischen Lars Rudolph, auf unterstem Unterschichtenniveau seine zukünftige Opfer an und schmiedet Pläne, sie zu versklaven. Erzählt wird das Hörspiel am roten Faden der späteren Gerichtsverhandlung entlang, was einen guten Spannungsbogen bietet. O-Ton-Beschreibungen des Tatorts und von Leichenfunden bringen auch hier den Realitätsschock ins Bewusstsein der Hörer.
Deshalb gilt auch für die Hörspiel-Vertonung des Stoffes: „Der Goldene Handschuh“ ist nichts für schwache Gemüter. Gestank, Gewalt, extreme Sexualität, Zwangsgedanken, unverarbeitete Traumatisierung, Geisteskrankheit und ein Leben jenseits des sozialen Absturzes bilden hier eine wabernde Masse, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, sobald sie sich einmal dort eingenistet hat. Genial geschrieben und eindringlich dargestellt in Dialog und Ton vom NDR.