So sprach Achill Hot
Hörbuch
Rückentext
In Bariccos Nacherzählung der Ilias soll nicht die Muse »den Zorn des Achilles« singen, sondern die Figuren selbst kommen zu Wort. Der edle Hektor, der listenreiche Odysseus, der rachsüchtige Achilles und der göttergleiche Paris schildern die blutigen Schlachten zwischen Griechen und Trojanern aus ihrer ganz persönlichen Perspektive. Doch nicht nur die Helden, sondern auch Nebenfiguren wie Andromache und ihre Amme berichten als Augenzeugen von den Kämpfen, Leidenschaften und Tragödien. In einer lebendigen, von Archaismen befreiten Sprache tritt Baricco mit Homer in Dialog und erzählt die Ilias als eine äußerst menschliche Geschichte.Hörspiegel-Meinung
Wer kennt die Geschichte von Troja nicht? Helena, die Frau des Menelaos, wird den Griechen von den Trojanern „gestohlen“. Die Folge: Ein jahrelanger Krieg vor den Toren Trojas. Die letzten Tage des Krieges werden in Homers Ilias in epochaler Form wiedergegeben. Das Epos zählt zu den ältesten schriftlich festgehaltenen Werken Europas.
Der italienische Schriftsteller und Journalist Alessandro Baricco (bekannt für seine erzählerisch starken Romane wie „Seide“, „City“ oder „Novecento“) hat sich einer großen Herausforderung gestellt: Die Ilias ins Jetzt-Verständnis zu übersetzen. Bariccos Version der Ilias trägt den Titel „so sprach Achill“ und findet ungekürzt als Lesung auf 4 CDs Platz. Baricco beschreibt das Geschehen aus der Ich-Perspektive diverser Helden und verzichtet über den allwissenden Erzähler. Dabei stört es auch nicht, wenn der eine oder andere Held über die Art seines eigenen Todes referiert. Die Übertragung in ein modernes Verständnis hat Baricco auch zu einem weiteren mutigen Schritt bewegt: Er lässt die langen Passagen der Götter aus der Geschichte heraus. Das Geschehen ist in seiner Version nicht gelenkt durch übersinnliches Geschick, sondern durch menschliche Entscheidungen. Mut, Tollkühnheit und immer wieder ein immenser Stolz sind Motivationsfaktoren für die Wendungen des Krieges. Das kristallisiert Bariccos Text heraus, und es tut der Erzählung sehr gut. Bei aller Modernisierung wirkt die Sprache, die Baricco gewählt hat, dennoch erhaben und altertümlich, was auch daran liegt, dass er Teilpassagen unbehandelt aus der Ilias übernommen hat.
Gelesen wird „So spricht Achill“ von 21 Schauspielern des Hamburger Thalia-Theaters. Die Stimmvielfalt ist sehr umfangreich, ebenso wie die Sprecherqualität.
Ganz klar: Leichte Kost bleibt auch Bariccos Ilias-Variante nicht. Aber sie räumt auf mit Überlängen und schmückenden Passagen. Die detailgetreue Brutalität des Krieges geht an die Substanz des Hörers. Archaische Schlachtszenen sind an der Tagesordnung. Das Experiment, die Ilias „lesbar“ auf die Theaterbühne zu bringen, hat aus meiner Sicht sehr gut funktioniert. Dass ausgerechnet Baricco, der für seine märchenhaften Ausschweife in seinen Geschichten bekannt ist, sich am Ende doch sehr strikt an das Original hält ohne eigene Ideen einzubauen, hat mich sehr überrascht. Aber er beweist einmal mehr, was für ein guter Autor er ist. Er hat es nicht nötig, einem Klassiker seinen persönlichen Stempel aufzusetzen. Ihm scheint es zu genügen, die Herausforderung angenommen zu haben. Eine Herausforderung, die er aus meiner Sicht gemeistert hat.