JOHN SOUTHWORTH, München, 8.11.2015 Hot
Sören Wolf
10. November 2015
Bericht
Künstler
Veranstaltungsort
Location
Veranstaltungsdatum
08. November 2015
Hörspiegel-Bericht
Es ist ein Sonntagabend, idealerweise sitzt man vor der Glotze und schaut einen Tatort, um mal wieder in die Abgründe der deutschen Seele einzutauchen und das Wochenende ausklingen zu lassen. Etwas 50 Personen haben an diesem Abend allerdings andere Pläne, die Hauskonzerte Crew aus München hat einen Künstler geladen, der im letzten Jahr mit seinem Doppelalbum „Niagara“ wie aus dem Nichts das Album des Jahres im deutschen Rolling Stone abgeliefert hat. Während er bereits seit Jahrzehnten (sein Debütalbum ist aus dem Jahr 1998) Alben produziert die komplett unter dem Radar des normalen Musikkonsumenten vorbeiführten, überwiegend unterstützt vom Canadian Council for the Arts und mehr oder weniger selbst vertrieben, gelang ihm mit „Niagara“ und der Unterstützung des großartigen Labels „Tin Angel Records“ ein großer Wurf.Die Peripherie Münchens ist die einzig richtige Ortswahl gewesen, um diesen Abend seine Magie zu verleihen, und das übliche folkige Hipsterpublikum fernzuhalten. Das Atelierhaus in Pasing tief im Westen der Stadt, dort wo die Sonne verstaubt, liefert die familiäre Behaglichkeit die den Rahmen für diesen Abend bilden sollen. Meine Nachbarin hat wohlschmeckende kleine Apfelküchlein gebacken und verteilt diese an Publikum und Musiker bevor der Abend von der Kanadierin Devon Sproule eingeleitet wird. Sproule sieht etwas mitgenommen aus, die Tour die Sie am ersten November begonnen hat führte Sie von Großbritannien über Palma de Mallorca nach München wo Sie John Southworth auf zwei Tagen seiner Deutschlandtour begleitet. Auch Devon Sproule hat bereits einige Alben veröffentlicht und lebt nach einer Zwischenstation in Berlin mittlerweile mit ihrem Ehemann in Texas. Sie steht zunächst alleine auf der Bühne, ihre Ansagen sind humorvoll und voller Empathie für die Zuhörer und ihre Freunde John Southworth und Band. Sie hat eine dieser Stimmen die den Zuhörer gefangen nehmen können, die Mimik ihres Gesichts während des Singens unterstreicht die Gefühlswallungen die durch den Körper jagen, wenn man ihrer Musik lauscht. Egal, ob alleine oder mit Musikern, mit oder ohne Instrumente, ihre Performance bleibt immer intensiv und packend. Der letzte Song wird nur mit Stimme, Handschnippen und Fußstampfen absolviert. Die Münder der Zuhörer stehen offen, staunend ob des Mutes einen Song auf diese Weise vorzutragen und gefangen von der Intensität.
John Southworth ist, das wird von Anfang an klar, sicherlich kein gewöhnlicher Mensch. Er wirkt mit seiner schlaksigen Statur, den schwarzen ausgebeulten Stiefeln, seinen gummihaften Fingern und seinen durchdringenden Augen wie eine Figur aus einem Tim Burton Film. Er trägt ein viel zu langes und an seiner Statur gemessenes unpassend groß wirkendes rot/weiß gestreiftes Hemd, das wie ein Nachthemd aussieht. Geisterhaft steigen er und seine Band mit dem ruhigsten Stück „Weird Woman“ des neuesten Albums ein und es setzt schlagartig eine eigentümliche Zeitwahrnehmung ein, die sich fortan durch den ganzen Abend ziehen wird. Auch wenn der größte Teil der Songs natürlich vom neuesten Werk „Niagara“ stammt, bleiben doch auch ältere Stücke aus seinem Œuvre nicht unberücksichtigt. Die Hauskonzerte Crew hat sich die Mühe gemacht ein echtes Klavier nach Pasing zu schaffen, und das unterstreicht sicherlich noch einmal die Besonderheit dieses Abends. Wie John Southworth sich über das Klavier beugt als er „Hey I got news for you“ anstimmt, gebückt und beschwörend, das Tempo bestimmend, so wird einem klar das hier ein großer Meister sein Werk verrichtet. Seinen Ansagen ist Ironie, auch Selbstironie nicht fremd. Während seine drei großartigen Bandkollegen Euan Rodger (Schlagzeug), Bram Gielen (Bass) und Thom Gill (Gitarre) die Fahrten auf der Tour in einem Van bestreiten, und sich während des Konzerts immer mal wieder mal die Verspannung aus dem Körper drücken, ist John Southworth mit einem fünftägigen deutschen Zugticket ausgestattet, der seine Reise zu den Konzertstätten ungleich angenehmer gestaltet als die seiner Bandkollegen. So kann er als leidenschaftlicher Zugfahrer einen besseren Eindruck der Leute erhaschen und seinen Deutschlandaufenthalt intensiver aufsaugen.
Wie eine Reise mutet auch das Konzert an, so entsteht der Eindruck, dass man fortgetragen wird, die Songs mit ihren Geschichten eine Lebendigkeit entfalten die sich vor dem inneren Auge ausbreitet und so jegliches Gefühl für Raum und Zeit verlorengeht. Es war nicht geplant diesen Konzertbericht zu verfassen, so entschuldigen Sie bitte, dass es nur ein Foto von mir von dem Konzert gibt, das auch noch entstand bevor es überhaupt losgegangen ist. Ich wäre ohnehin nicht in der Lage gewesen das Erlebnis durch das betätigen einer Kamera schmälern zu wollen. Das Konzert in Dresden wurde von einem eifrigen Filmer mitgeschnitten und kann auf YouTube einen Eindruck John Southworth’s magischer Songschreiberkunst vermitteln. Vielen Dank für diesen großartigen Abend, ich verbeuge mich.