Die drei ??? und der seltsame Wecker 2009 - Live and Ticking

Die drei ??? und der seltsame Wecker 2009 - Live and Ticking Hot

Nico Steckelberg   22. November 2009  
Die drei ??? und der seltsame Wecker 2009 - Live and Ticking

Hörspiegel-Bericht

Es ist voll. Richtig voll! Die Menschenmenge vor dem Einlass der Ruhrcongresshalle in Bochum ist schon von weitem erkennbar. Und es stellen sich zwangsläufig Erinnerungen ein an die in Zelten übernachtenden Fans vor Star Wars-Kinoreleases oder Michael-Jackson-Konzerten. Aber hier und heute geht es um etwas ganz anderes: Es geht darum, Jugendkult wiederaufleben zu lassen.

„Die drei ??? und der seltsame Wecker“ – das war sicherlich eine der gruseligsten Episoden der bekannten Kult-Hörspielserie, die man als Kind gehört hat. Der wirklich seltsam schreiende Wecker blieb uns über Jahre hinweg im Gedächtnis. Nun kommt diese Kultfolge auf die Bühne.

Wir erinnern uns an die Master-of-Chess-Tour der Drei ??? aus dem Jahr 2002: Die drei Hauptakteure, der Erzähler, zwei Gastsprecher und der Geräuschemacher stehen bzw. sitzen auf der Bühne, alles ist recht minimalistisch gehalten, visuelle Effekte gibt es wenige bis keine, doch es genügte, dass man die Sprecher beim Spielen sieht, um die Tour zu einem gelungenen Erlebnis zu machen. Denn bis dato hatten sich Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich nie offensiv selbst vermarktet. Das war nun anders, die Stimmen bekamen einen visuellen Charakter, der vielleicht anfangs nicht zu dem Bild passte, das man im Kopf trug. Es eröffnete sich hierdurch jedoch ein ganz neues Universum an Möglichkeiten. Die drei ??? waren nun reale Personen geworden. Über 20 Jahre hatte man ausschließlich auditiv mit den Sprechern gearbeitet, nun erst kam – der anfänglichen Skepsis einiger Entscheider zum Trotz – der visuelle Eindruck hinzu. Mehr brauchte es zu dem Zeitpunkt nicht, es genügte eine kleine Bühne und ein gutes Programm.

Inzwischen ist die Marke „Die drei ???“ um einiges gewachsen. Und das liegt zweifelsfrei auch zu einem guten Teil an der visuellen Präsentation und Vermarktung der Sprecher. Die drei ??? sind – mit Stimmen und Gesichtern – sind zu Popikonen geworden. Und das zeigt sich nicht zuletzt durch die langen Menschenschlagen beim Einlass. Die gesamte Veranstaltung ist um Längen professioneller geworden als es bei der Show vor 7 Jahren der Fall war. Ein Fortschritt auf allen Ebenen.

Die Hallen sind größer, die Geschichte des seltsamen Weckers wurde sehr professionell für die Bühne umgeschrieben, so dass sie für ein Publikum funktioniert, das die Folge nicht auswendig mitsprechen kann. Auf der anderen Seite gibt es viele tolle „Insider“-Gags für diejenigen, die eingefleischte Fans sind. Diese Gratwanderung ist dem Drehbuchautor und Regisseur Kai Schwind sehr gut gelungen. Schwind ist einer der Köpfe hinter der Jugendserien-Persiflage „Die Ferienbande“ und hat mit dem Drei ???-Bühnenprogramm hervorragende Arbeit geleistet.
Die Sprecher stehen nicht mehr starr auf ihren Plätzen. Zwar haben sie noch immer ihre Mikrofonstative und lesen ihren Text vom Blatt, bewegen sich jedoch zunehmend auch auf der Bühne und spielen ihre Rollen hervorragend. Die Dynamik wird gleich in der ersten Szene sehr deutlich, wenn die drei ??? auf der Bühne erscheinen. Auf welchem Wege sie erscheinen, das wird hier nicht verraten, denn es ist eine tolle Überraschung! Auch die Nebenrollen sind hochkarätig besetzt, und man darf ganz klar sagen: Hier gibt es keine Aussetzer, keine Fehlbesetzung. Alle Nebenrollensprecher haben verschiedene Rollen, die sie interpretieren. Dazu zählen der smarte Sascha Rotermund, Luise Lunow u.a. als Mrs. King, Cornelia Meinhardt als schrullige Nacktyoga-Freundin, ein – wie ich finde - bislang völlig unterschätzter Peter Weis, der beim „Seltsamen Wecker“ seine schauspielerische Bandbreite unter Beweis stellen kann und natürlich der Erzähler: Helmut Krauss.

Für visuelle Effekte sorgen eine bewegliche LED-Wand, die fast den halben Hintergrund der Bühne ausmacht und mit Videoeinspielungen die Story unterstreicht. Die Licht- und Nebeleffekte sind ebenfalls ganz Klasse.
Die Musik kommt zu einem großen Teil von Band bzw. aus dem Rechner, wird jedoch direkt von der Bühne aus eingespielt. Dafür sorgen Jan-Peter Pflug und Tilman Ehrhorn. Einige Instrumente werden auch live zu den Samples gespielt. Der Soundtrack ist im Ganzen sehr chillig angelegt, aber auch spannend an den richtigen Stellen. Auch hier habe ich rein gar nichts auszusetzen, ich könnte mir viele der Stücke im Gegenteil sogar auch gut bei den EUROPA-Hörspielen vorstellen. Atmo-Sounds und spezielle Geräusche kommen vom Sound-Operator Christian „El Conde“ Käufl von der Seite der Bühne. Viele Geräusche erzeugt der Live-Geräuschemacher Peter Klinkenberg, der einmal mehr ein wichtiger Teil der Show ist und aktiv in die humorvolle Dramaturgie eingearbeitet wird.

Apropos Humor: Dieser ist nicht an allen Stellen so ganz jugendfrei. So gibt es beispielsweise in Bert Clocks Uhrenraum eine Uhr, die nicht schreit, sondern die Geräusche eines eher sexuell orientierten Erwachsenenfilms wiedergibt. Den Eltern im Publikum hat es an so mancher Stelle ein verschmitztes Lächeln ins Gesicht gezaubert, während die wenigen Kinder im Saal ein wenig unverständig und verdutzt da saßen und sich fragten, warum die Erwachsenen denn jetzt bitte schön lachen.

Wer einen schlechten Platz erwischt hat und nicht jedes Detail auf der Bühne verfolgen kann, dem helfen die von mehreren Live-Kameras an die Wand projizierten Aufnahmen.

Auch das Merchandising zeigt, dass die Drei ??? im Event-Olymp angelangt sind. Unzählige Fanartikel warten auf die Besucher, darunter Shirts, LPs und sogar ein schreiender Wecker mit dem Original-Sound. Besonderes Schmankerl: Man kann sich einen USB-Stick in Drei ???-Optik kaufen, der das Hörspiel des Abends als Live-Mitschnitt enthält. Die schnelle Technik macht’s möglich. Dass hier viele Zuschauer zugegriffen haben, liegt sicherlich auch an der bezaubernden Karaoke-Einlage von Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich.

Wer erwartet, dass die Hörspielfolge „Der seltsame Wecker“ 1:1 oder zumindest nahezu identisch wiedergegeben wird, dem sei zu sagen, dass es sich bei der Drei ???-Tour um eine hochprofessionelle, kommerzielle Show handelt. Es hätte nicht funktioniert, das Hörspiel einfach nur so umzusetzen. Die Erwartungshaltung von Publikum und Kritikern ist seit der Master-of-Chess-Tour deutlich gestiegen, verursacht durch die Tatsache, dass man die Gesichter nun kennt und bereits um die humorvolle Umsetzung der Geschichten weiß. Diese Elemente sind nun keine Überraschung mehr, deshalb war es wichtig, eine „Schüppe“ drauf zu legen. Man hat hier gleich zehn Schüppen draufgelegt, und das mit Erfolg.

Ein gelungener Abend!

Weblink

http://www.DreiFragezeichen.de/tour

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