Und ich? Identität in einer durchökonomisierten Gesellschaft Hot
Rückentext
Noch nie, heißt es, ging es uns so gut - doch noch nie haben wir uns so schlecht gefühlt. Die neoliberale Ideologie durchdringt unser Leben inzwischen bis in den letzten Winkel: Sie prägt unsere Selbstwahrnehmung, unsere Beziehung zu unserem Körper, unseren Partnern und Kindern - in anderen Worten, unsere Identität. Offenbar hat die neue Freiheit und Selbstverantwortung eine dunkle Kehrseite. Ihre implizite Botschaft lautet: Jeder kann perfekt sein, jeder kann alles haben. Wer versagt, hat sich nicht genug angestrengt; wer scheitert, ist allein schuld. Beschämung und Schuldgefühle sind die Folge, Wut, Aggression und diffuse Trauer, Selbstzweifel und »bipolare Störungen« - oder gar Täuschung und Betrug, wenn es gilt, die ausufernden Leistungskataloge der modernen Arbeitswelt zu erfüllen. Keineswegs zufällig werden sie uns im Gewande objektiver, wissenschaftlich geprüfter Erfordernisse präsentiert, gegen die aufzubegehren zwecklos ist. In einer furiosen Anklage zeigt der Psychoanalytiker Paul Verhaeghe, welche Auswirkungen das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die jeden Lebensbereich unter das Diktat der Ökonomie stellt, auf die Psyche der Menschen hat.Hörspiegel-Meinung
Es ist schon verwunderlich, dass die psychischen Erkrankungen mehr und mehr zunehmen, obwohl es der heutigen Gesellschaft insgesamt sehr gut geht. Immer mehr Menschen sind so erschöpft, das sie nicht mehr arbeitsfähig sind. Paul Verhaeghe zeigt auf was sich in den letzten Jahrzehnten verändert und zu diesen Erscheinungen geführt hat.
Die Botschaft der neoliberalen Ideologie, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist und demnach tun kann was er will ist seiner Meinung nach fatal. Anders ausgedrückt bedeutet es, dass jeder perfekt sein kann. Viele haben dadurch das Gefühl sie müssen noch mehr leisten und hätten sich nur nicht genug bemüht. Den Menschen wird die Illusion vorgegaukelt eigene Entscheidungen treffen zu können. Dabei ist es vielmehr so, dass ihnen bestimmte Verhaltensweisen durch die Gesellschaft auferlegt worden sind. Der Grundgedanken hinter diesem Buch ist, dass es eine von innen kommende und vorbestimmte Identität nicht gibt. Identität wird Paul Verhaeghes Meinung nach vielmehr von unserem Umfeld bestimmt. Hierbei geht er sowohl auf die Veränderungen wie etwa eine gestiegene Arbeitslosigkeit, als auch auf die Bedeutung eines stabilen Umfeldes hierbei ein.
Er fordert, dass die notwendige Balance zwischen Gruppe und Identität wieder hergestellt wird. Es liegt an uns selber die Veränderung in Gang zu bringen.
Paul Verhaeghe analysiert nüchtern und gut verständlich. Er baut eigene Lebenserfahrungen ein und verliert sich nie in Fremdworten oder langweiligen ausschweifenden Erzählungen oder Erklärungen.
Die 8 Kapitel sind wiederum in verschiedene recht kurze Abschnitte unterteilt. Ich fand das sehr angenehm, da man so immer mal wieder ein Stück lesen kann. Der Leser sollte sich auf jeden Fall ein bisschen Zeit für die Lektüre dieses Buches nehmen. Mal eben zwischendurch lässt es sich nicht lesen, bzw. fehlt dann die Zeit es genügend zu würdigen.
Ich kann „Und ich? Identität in einer durchökonomisierten Gesellschaft“ nur empfehlen.