Der Anschlag Hot

Nico Steckelberg   21. April 2012  
Der Anschlag

Buch-Tipp

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Anzahl Seiten
1.056
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Rückentext

Wenn die Vergangenheit grausam zuschlägt – Stephen King schreibt die amerikanische Geschichte neu

Am 22. November 1963 fielen in Dallas, Texas, drei Schüsse. John F. Kennedy starb, und die Welt veränderte sich für immer. Wenn man das Geschehene ungeschehen machen könnte – wären die Folgen es wert? Jake Epping kann in die Vergangenheit zurückkehren und will den Anschlag verhindern. Aber je näher er seinem Ziel kommt, umso vehementer wehrt sich die Vergangenheit gegen jede Änderung. Stephen Kings neuer großer Roman ist eine Tour de Force, die ihresgleichen sucht – voller spannender Action, tiefer Einsichten und großer Gefühle.

Jake Epping lebt ein normales Leben, bis sein Freund Al ihm ein großes Geheimnis enthüllt: Er kennt ein Portal, das ins Jahr 1958 führt. Und Al gewinnt ihn für eine wahnsinnige Mission. Jake soll in die Vergangenheit zurückkehren und das Attentat auf John F. Kennedy vereiteln, um den Gang der Geschichte positiv zu korrigieren. Und so beginnt für Jake ein neues Leben in einer für ihn neuen Welt. Es ist die Welt von Elvis und JFK, von großen amerikanischen Autos und beschwingten Highschool-Tanzveranstaltungen. Es ist die Welt des gequälten Einzelgängers Lee Harvey Oswald, aber auch die der Bibliothekarin Sadie Dunhill, die Jakes große Liebe seines Lebens wird – eines Lebens, das gegen alle normalen Regeln der Zeit verstößt. Und je näher Jake seinem Ziel kommt, den Mord an Kennedy rückgängig zu machen, desto bizarrer wehrt sich die Vergangenheit dagegen – mit aller gnadenlosen Gewalt, die sich auch gegen Jakes neue Liebe richtet ...

Hörspiegel-Meinung

Story/Inhalt 
 
10,0
Atmosphäre 
 
10,0
Aufmachung 
 
9,0
Gesamtwertung 
 
9,7

Es gibt nur ganz wenige Autoren, denen man ihre Geschichten aus der Hand frisst. Weil ihre Charaktere authentisch sind und ihre Ideen fesseln. Während ich die ersten Kapitel von Stephen Kings „Der Anschlag“ hörte, war mir relativ schnell klar: Das Hörbuch hier wird etwas Großes. So groß, dass es mir davor graust, eine Rezension zu schreiben, die der Geschichte nicht gerecht werden könnte.

Bereits in den 70er Jahren hatte King vorgehabt dieses Buch zu schreiben. Doch für einen Zeitreiseroman, der sich um den Anschlag auf John F. Kennedy im Jahre 1963 dreht (Originaltitel des Buches: „11/22/63“), war es 10 Jahre nach dem schrecklichen Ereignis einfach noch zu früh. King selbst ist froh, gewartet zu haben. Und wir können es auch sein, denn so eröffnen sich King viel mehr Möglichkeiten. Die späten 50er Jahre erscheinen in grobem Kontrast zur Jetzt-Zeit. Zudem kann King Verknüpfungen zu einigen seiner früheren Romane setzen, was jedoch nur King-Fans auffallen wird. Da sind vor allem die Kleinstadt Derry und einige ihrer Bewohner wiederzuerkennen, auf die King in seinen früheren Romanen eingeht (u. a. in „Es“).

Aber hier passiert nun genau das, wovor ich mich gefürchtet habe: Ich spreche dieses Buch „klein“. Denn „Der Anschlag“ ist nicht nur ein Zeitreiseroman oder „Ein weiteres Stephen King-Buch“. Es ist eine der schönsten Liebesgeschichten und einer der brutalsten Thriller zugleich. Mit sprachlicher Schönheit wie Grausamkeit, mit vielen Fakten und überragenden Ideen.

„Der Anschlag“ zieht uns in sich hinein. Wir atmen, fürchten uns und lieben gemeinsam mit dem Protagonisten Jake Epping alias George Amberson. Und King schafft es, unser Denken außerhalb des Buches zu beeinflussen. Uns fallen „Harmonien“ auf, die vorher nicht da gewesen waren. Wir sehen Sätze im Buch voraus, weil er uns so geschickt in seine Erzählweise einführt, dass wir sie für uns übernehmen. Aber die wichtigsten Wendungen im Buch sehen wir niemals voraus.

Selbst wenn die Idee einer Zeitreise abgedroschen klingt, King schafft durch das Beziehungsgeflecht seiner Personen viel mehr als einen schnöden „Zurück in die Zukunft“- oder „Twilight Zone“-Abklatsch. Er erschafft im wahrsten Sinne des Wortes eine kleine Welt. Und es tut weh, zu sehen, dass man sich dem Ende nähert, weil man einfach noch nicht gehen möchte. Weil man noch nicht dazu bereit ist.

Um Stephen Kings ersten Satz des Buches zu zitieren: „I have never been what you'd call a crying man.” Aber es gibt Momente im Buch, die sind so emotional, so schön, so traurig, dass es vermutlich sogar einem Stein die Tränen in die Augen treiben würde.

Im Vergleich zur Hörbuchversion ergeben sich inhaltlich keine Unterschiede zur Buchfassung. Die Lesung erscheint ungekürzt bei Random House Audio (siehe unsere Rezension). Für meinen Geschmack schafft es die Lesung von David Nathan jedoch, Kings Roman noch eine weitere atmosphärische Ebene einzuverleiben. Diese fehlt beim Buch zwar, macht die ursprüngliche Lese-Fassung jedoch nicht minder lesenswert. Die über 1000 dünnen Seiten des Hardcovers schmelzen im Nu.

Ein grandioses Buch.

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