Arte Metamorfico Hot
Buch-Tipp
Rückentext
-Hörspiegel-Meinung
Neulich habe ich mich während einer Zugfahrt mit einer Mitreisenden unterhalten, einer jungen Kunstkritikerin, wie sich im Gesprächsverlauf herausstellte. Ich habe sie gefragt, was man an Kunst kritisieren könne, denn gerade Kunst, so meine These, sei doch eine höchst subjektive Erfahrung. Ihre Antwort war simpel: „Ich beschreibe die Eindrücke, die ich beim Wahrnehmen der Kunst habe. Außerdem kann man auch das Handwerkliche beurteilen.“
Während ich durch den Bildband „Arte Metamorfico“ von Octavio Ocampo blättere, erinnere ich mich wieder an diesen Rat meiner Zufallsbekanntschaft. Ocampos Bilder sind plakativ und gefällig. Sie haben immer einen Aha-Effekt. Denn im vordergründigen Bild zeichnen sich nach näherer Betrachtung Details heraus, die ein Bild hinter dem Bild offenbaren. Kleine Elemente, die für sich betrachtet etwas anderes darstellen, als wenn man sie als Gesamtbild aus der Ferne betrachtet. Das Cover des Buches ist ein klares Beispiel für die Kunst, der sich Ocampo gewidmet hat: Ein Gesicht, das aus zahlreichen weißen Tauben zusammengesetzt ist. Dass feinfühlige Betrachter solche Bilder auch als kitschig bezeichnen könnten, steht zweifelsfrei zur Debatte. Denn nicht jeder kann etwas mit bunten Marienstatuen oder Gesichtern im Himmel anfangen.
Aber ich halte mich an das, was ich im Zug gelernt habe, ich beschreibe meinen Eindruck. Und der ist sehr positiv. Denn Ocampo schafft es, die Blicke seiner Betrachter für einen bestimmten Zeitraum festzuhalten. Man teilt das Gesehene gern („Schau mal, was siehst du hier?“). Ich sehe eine Verwandtschaft zu Salvador Dalí, allerdings auch jede Menge modernen Comic-Stils. Ocampos Kunst ist Kunst mit Unterhaltungswert, und das gefällt mir. Da auch der handwerkliche Aspekt stimmt, kann ich überhaupt nicht meckern.
Der 160-seitige Bildband mit sage und schreibe 140 Illustrationen von Octavio Ocampo erscheint bei Olms. Ein tolles Kunst-Buch, das zum Blättern, betrachten und staunen einlädt.