Aventine Hot
Musik
Hörspiegel-Meinung
Ich bin verliebt! Verliebt in die schwermütige Ernsthaftigkeit, die diese junge Frau in ihre Songs einspinnt. Agnes Obel wurde 1980 geboren, es hat jedoch den Eindruck als ließe sie alle zwischenmenschlichen Erfahrungen der Menschheitsgeschichte seit der vorletzen Jahrhundertwende in ihre Stücke mit einfließen. Sie braucht dafür nicht viel: Ihr Piano, ihre Stimme (gerne in vielen übereinander gelagerten Schichten), ein wenig Gitarre und ein klitzekleines Streicherensemble.
Was dabei herauskommt, ist ein intensives Klanggebilde: Ein akustisches Geisterhaus des späten 19. Jahrhunderts mit tausend Geschichten in leeren, verwitterten Zimmern. Goldenes Sonnenlicht bricht sich in milchig-trüben Fensterscheiben und versetzt die Staubpartikel in einen schwelgenden Tanz. Und dann werden plötzlich die alten Geschichten wieder lebendig, brechen sich herbstlich bunte Farben durch die graue Melancholie, erkennt man ein lebendiges Treiben draußen im Garten, zu einer Zeit als dieser noch nicht verwittert und noch nicht mit Moos überwuchert war.
Das alles spielt sich vor meinem inneren Auge ab, wenn ich „Aventine“ von Agnes Obel höre. Ich bin tief beeindruckt und verneige mich vor diesem Meisterwerk stilvoller, herbstlicher Melancholie. Nehmen Sie sich diese Auszeit und gönnen sie sich einen Spaziergang mit Agnes Obels Musik.