Die Enden der Parabel - Gravity's Rainbow Hot
Nico Steckelberg
06. Juni 2020
Hörspiel
Sprecher
Hörspiellabel/Verlag
Erscheinungsjahr
Format
CD
Anzahl Medien
13
Rückentext
Thomas Pynchons zeitloses Meisterwerk erstmals als Hörspiel inszeniert
Das Leben als Parabel. Parabelförmig ist die Flugbahn zwischen zwei Punkten, ist die Flugbahn der deutschen V-Waffen im Zweiten Weltkrieg, deren Entwicklung und Einsatz nur einen der zahllosen Handlungsstränge dieses Pandämoniums darstellen. Eine der Hauptfiguren ist der GI Tyrone Slothrop, der eine Erektion bekommt, bevor eine V2-Rakete einschlägt. Als lebendiges Frühwarnsystem ist er nicht nur für die Alliierten interessant. Der britische Officer Pirate Prentice und die holländische Doppelagentin Katje suchen mit Slothrop in einer wilden Verfolgungsjagd nach dem Geheimnis seiner Konditionierung. Sie reisen durch ein vom Krieg zerstörtes Deutschland in dem Anarchie und Paranoia herrschen.
Thomas Pynchons großer Roman ist bereits zu einem Klassiker der modernen Literatur geworden. Bearbeitet und inszeniert vom ausgezeichneten Hörspiel-Regisseur Klaus Buhlert ist ein wahres akustisches Kunstwerk entstanden. Prominente Sprecher wie Bibiana Beglau, Felix Goeser, Franz Pätzold, Corinna Harfouch, Wolfram Koch, Jens Harzer oder Manfred Zapatka zählen zum knapp 40-köpfigen Ensemble.
Das Leben als Parabel. Parabelförmig ist die Flugbahn zwischen zwei Punkten, ist die Flugbahn der deutschen V-Waffen im Zweiten Weltkrieg, deren Entwicklung und Einsatz nur einen der zahllosen Handlungsstränge dieses Pandämoniums darstellen. Eine der Hauptfiguren ist der GI Tyrone Slothrop, der eine Erektion bekommt, bevor eine V2-Rakete einschlägt. Als lebendiges Frühwarnsystem ist er nicht nur für die Alliierten interessant. Der britische Officer Pirate Prentice und die holländische Doppelagentin Katje suchen mit Slothrop in einer wilden Verfolgungsjagd nach dem Geheimnis seiner Konditionierung. Sie reisen durch ein vom Krieg zerstörtes Deutschland in dem Anarchie und Paranoia herrschen.
Thomas Pynchons großer Roman ist bereits zu einem Klassiker der modernen Literatur geworden. Bearbeitet und inszeniert vom ausgezeichneten Hörspiel-Regisseur Klaus Buhlert ist ein wahres akustisches Kunstwerk entstanden. Prominente Sprecher wie Bibiana Beglau, Felix Goeser, Franz Pätzold, Corinna Harfouch, Wolfram Koch, Jens Harzer oder Manfred Zapatka zählen zum knapp 40-köpfigen Ensemble.
Hörspiegel-Meinung
Nico Steckelberg
Story/Inhalt
7,0
Atmosphäre
10,0
Sprecher
10,0
Soundtrack
10,0
Aufmachung
9,0
Gesamtwertung
9,2
Einmal, in den späten Achtzigern muss es gewesen sein, stand in einer Fernsehzeitung eine sehr spezieller Catchphrase über den Film „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Der oder die Redakteur/in verwies auf die teilweise schwer zugängliche Story und hob zu dem Fazit an: „Warnung! Dieser Film kann süchtig machen!“
Ein Film, der süchtig machen kann, obwohl – oder möglicherweise gerade WEIL – er schwer zugänglich und verständlich war? Wie geht das? Wie kann es sein, dass sich Konsumenten von der Undurchsichtigkeit eines Werks animieren lassen, es immer und immer wieder zu „genießen“?
Tatsächlich hat die schwere Zugänglichkeit eines Thema oft eine Art Gatekeeper-Funktion, und diejenigen, die es schaffen, sich durch die Firewall der Verwirrung zu kämpfen, sie zu ignorieren oder gar zu genießen, zählen zu der kleinen elitären Gruppe von Menschen, die sich eben nicht nach einer halben Stunden abwenden. Wer schon einmal versucht hat, David Lynchs Filme zu interpretieren, insbesondere sein Früh- und Spätwerk, oder wer sich mit dem waghalsigen Unterfangen befasst hat, die Handlungen und Dialoge in William Gibsons „Neuromancer“ gleich beim ersten Lesen zu verstehen, der weiß, wie befriedigend es sein kann, mit jedem Durchlauf mehr Informationen und Aha-Erlebnisse zu erhalten.
Nun gibt es auch solche Werke, die auf Grund ihrer Komplexität als quasi unkonvertierbar in ein anderes Medium gelten. Thomas Pynchons dystopischer Roman „Die Enden der Parabel“ gilt als ein Ebensolches.
Die Handlungsstränge sind nahezu unüberschaubar. Die Motivationen oft schwer zu begreifen und die Erzählsprünge machen den Roman zum heiligen Gral des „Sich-Durchkämpfens“. Nun darf man sagen, dass „Die Enden der Parabel“ als unkonvertierbar „galt“ und nicht mehr „gilt“, denn Klaus Buhlert hat sich zur Aufgabe gemacht, diesem komplexen Stoff ein Hörspiel zu widmen.
Zentrales Element und in gewisser Weise roter Faden der Geschichte ist die V2-Rakete der Nazis und die Menschen und Orte im 2. Weltkrieg. Über weite Teile ist ein amerikanischer GI der Hauptcharakter der Story, und die Suche nach der Ursache einer besonderen körperlichen Eigenschaft ist sozusagen der „MacGuffin“: Der GI bekommt eine Erektion, immer dann, wenn V2-Raketen einzuschlagen drohen. Aber wehe dem, der eine schnelle Nacherzählung des Stoffs zum Besten geben möchte. Deshalb lassen wir es an dieser Stelle mit dem Gesagten, wohl wissend, dass es den Inhalt des Buchs und Hörspiels nicht im mindesten abdeckt, aber das ist auch nicht wichtig. Denn die Geschichte ist letztlich nur eine Trägermasse für Atmosphäre und eine Einladung zum „Weiterdenken“, zum „Selbst-Drüber-Nachdenken“, zur „Was-macht-das-gerade-mit-mir“-Reflexion.
Und hier darf man sagen, dass Klaus Buhlert eine unbeschreiblich gute Arbeit abgeliefert hat. Der Ausgangsstoff ist über 1.200 Seiten stark. Die Anzahl der handelnden Personen ist schätzungsweise dreistellig, und die 14 Stunden Spielzeit klingen zunächst nach „aller Zeit der Welt“, stellen sich jedoch als Korsett dar, und Buhlert musste den komplexen Stoff destillieren.
Die Umsetzung erfolgte mittels eines fast 40-köpfigen Ensembles, einige Stimmen werden mehrfach eingesetzt, doch das fällt kaum auf. Interessant ist die Erzählweise. Es gibt nicht nur den Haupterzähler, der die Geschehnisse gelegentlich auch wie ein Reporter kommentiert oder mit einer an Ironie grenzenden Seitenbemerkung bereichert, er durchbrecht die akustische vierte Wand und spricht teilweise direkt zum Hörer. Und auch die Hauptfiguren haben teilweise Erzählpassagen, die sich akustisch von Dialogszenen abheben.
Diese Dialogszenen wirken so realistisch als seien sie „on set“ aufgenommen worden. Die Raumstimmung und das Sounddesign – insbesondere Effekte und Soundtrack – sind phänomenal.
Die Produktion des Deutschlandfunks und SWR2 wurde bereits im Radio ausgestrahlt. Wer sich dafür entscheidet, dieses Mammut-Werk physikalisch zu besitzen – und wenn nicht dieses Hörspiel, welches bitteschön dann? – , für den hat der Verlag Hörbuch Hamburg eine wunderschöne Hörspiel-Box kreiert. Jede einzelne der 13 CDs ist in einem separaten Pappschuber, und ein umfangreiches Begleitheft lädt zur Wissensergänzung und zum Kennenlernen der Hintergründe dieser Produktion ein. Bei der digitalen audible-Fassung wird das Heft als PDF-Download zur Verfügung gestellt.
Abschließend sei gesagt: Solange der Hörer nicht erwartet, am Ende der 14 Stunden zu wissen, wo der Hase läuft, und solange er sich mit den Eindrücken dieser akustischen Reise zufriedengibt und sich in sie hineinfallen lässt, ist alles gut. Mehr als gut, denn die Atmosphäre ist perfekt getroffen und der Stoff ist nahezu psychedelisch und bewusstseinserweiternd.
Deshalb bleibt am Ende eigentlich nur ein einziges mögliches Fazit.
„Warnung! Dieses Hörspiel kann süchtig machen!“
Ein Film, der süchtig machen kann, obwohl – oder möglicherweise gerade WEIL – er schwer zugänglich und verständlich war? Wie geht das? Wie kann es sein, dass sich Konsumenten von der Undurchsichtigkeit eines Werks animieren lassen, es immer und immer wieder zu „genießen“?
Tatsächlich hat die schwere Zugänglichkeit eines Thema oft eine Art Gatekeeper-Funktion, und diejenigen, die es schaffen, sich durch die Firewall der Verwirrung zu kämpfen, sie zu ignorieren oder gar zu genießen, zählen zu der kleinen elitären Gruppe von Menschen, die sich eben nicht nach einer halben Stunden abwenden. Wer schon einmal versucht hat, David Lynchs Filme zu interpretieren, insbesondere sein Früh- und Spätwerk, oder wer sich mit dem waghalsigen Unterfangen befasst hat, die Handlungen und Dialoge in William Gibsons „Neuromancer“ gleich beim ersten Lesen zu verstehen, der weiß, wie befriedigend es sein kann, mit jedem Durchlauf mehr Informationen und Aha-Erlebnisse zu erhalten.
Nun gibt es auch solche Werke, die auf Grund ihrer Komplexität als quasi unkonvertierbar in ein anderes Medium gelten. Thomas Pynchons dystopischer Roman „Die Enden der Parabel“ gilt als ein Ebensolches.
Die Handlungsstränge sind nahezu unüberschaubar. Die Motivationen oft schwer zu begreifen und die Erzählsprünge machen den Roman zum heiligen Gral des „Sich-Durchkämpfens“. Nun darf man sagen, dass „Die Enden der Parabel“ als unkonvertierbar „galt“ und nicht mehr „gilt“, denn Klaus Buhlert hat sich zur Aufgabe gemacht, diesem komplexen Stoff ein Hörspiel zu widmen.
Zentrales Element und in gewisser Weise roter Faden der Geschichte ist die V2-Rakete der Nazis und die Menschen und Orte im 2. Weltkrieg. Über weite Teile ist ein amerikanischer GI der Hauptcharakter der Story, und die Suche nach der Ursache einer besonderen körperlichen Eigenschaft ist sozusagen der „MacGuffin“: Der GI bekommt eine Erektion, immer dann, wenn V2-Raketen einzuschlagen drohen. Aber wehe dem, der eine schnelle Nacherzählung des Stoffs zum Besten geben möchte. Deshalb lassen wir es an dieser Stelle mit dem Gesagten, wohl wissend, dass es den Inhalt des Buchs und Hörspiels nicht im mindesten abdeckt, aber das ist auch nicht wichtig. Denn die Geschichte ist letztlich nur eine Trägermasse für Atmosphäre und eine Einladung zum „Weiterdenken“, zum „Selbst-Drüber-Nachdenken“, zur „Was-macht-das-gerade-mit-mir“-Reflexion.
Und hier darf man sagen, dass Klaus Buhlert eine unbeschreiblich gute Arbeit abgeliefert hat. Der Ausgangsstoff ist über 1.200 Seiten stark. Die Anzahl der handelnden Personen ist schätzungsweise dreistellig, und die 14 Stunden Spielzeit klingen zunächst nach „aller Zeit der Welt“, stellen sich jedoch als Korsett dar, und Buhlert musste den komplexen Stoff destillieren.
Die Umsetzung erfolgte mittels eines fast 40-köpfigen Ensembles, einige Stimmen werden mehrfach eingesetzt, doch das fällt kaum auf. Interessant ist die Erzählweise. Es gibt nicht nur den Haupterzähler, der die Geschehnisse gelegentlich auch wie ein Reporter kommentiert oder mit einer an Ironie grenzenden Seitenbemerkung bereichert, er durchbrecht die akustische vierte Wand und spricht teilweise direkt zum Hörer. Und auch die Hauptfiguren haben teilweise Erzählpassagen, die sich akustisch von Dialogszenen abheben.
Diese Dialogszenen wirken so realistisch als seien sie „on set“ aufgenommen worden. Die Raumstimmung und das Sounddesign – insbesondere Effekte und Soundtrack – sind phänomenal.
Die Produktion des Deutschlandfunks und SWR2 wurde bereits im Radio ausgestrahlt. Wer sich dafür entscheidet, dieses Mammut-Werk physikalisch zu besitzen – und wenn nicht dieses Hörspiel, welches bitteschön dann? – , für den hat der Verlag Hörbuch Hamburg eine wunderschöne Hörspiel-Box kreiert. Jede einzelne der 13 CDs ist in einem separaten Pappschuber, und ein umfangreiches Begleitheft lädt zur Wissensergänzung und zum Kennenlernen der Hintergründe dieser Produktion ein. Bei der digitalen audible-Fassung wird das Heft als PDF-Download zur Verfügung gestellt.
Abschließend sei gesagt: Solange der Hörer nicht erwartet, am Ende der 14 Stunden zu wissen, wo der Hase läuft, und solange er sich mit den Eindrücken dieser akustischen Reise zufriedengibt und sich in sie hineinfallen lässt, ist alles gut. Mehr als gut, denn die Atmosphäre ist perfekt getroffen und der Stoff ist nahezu psychedelisch und bewusstseinserweiternd.
Deshalb bleibt am Ende eigentlich nur ein einziges mögliches Fazit.
„Warnung! Dieses Hörspiel kann süchtig machen!“