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PHONOPHOBIA live: Die drei ??? und die Balance zwischen Neuem und Nostalgie
PHONOPHOBIA live: Die drei ??? und die Balance zwischen Neuem und Nostalgie Hot
Nico Steckelberg
01. April 2014
Bericht
Veranstaltungsort
Location
Veranstaltungsdatum
28. März 2014
Hörspiegel-Bericht
Der Andrang ist schlicht beeindruckend. Wir werden wie Zahnpasta durch die Tube von den Besuchermassen durch die Gänge zu den Zuschauerreihen gepresst. Ich erinnere mich an die Anfänge der Drei ???-Livetour „Master of Chess“. Damals war es das vergleichsweise familiär wirkende Auditorium Maximum der Uni Bochum. Heute, knapp 12 Jahre später, füllen Justus, Peter und Bob die große Westfalenhalle in Dortmund. Es gibt immer eine Steigerung.-- Achtung, Spoilergefahr! Wer nichts über den Inhalt von „Phonophobia“ wissen möchte, sollte nicht weiterlesen. --
Noch vor der Show trennt sich das Publikum in zwei Lager: Die Alleskenner und die Gelegenheitshörer. Denn die Bilderrätsel, die auf den beiden Leinwänden rechts und links der Bühne angestrahlt werden, um den Besuchern die Wartezeit zu verkürzen, sind teilweise ganz schön „knackig“. Es gilt, den Titel diverser Hörspielfolgen zu erraten. Da ist zum Beispiel ein Vorhängeschloss in Form eines Geistes. Na? Was könnte das sein? Natürlich: Das „Gespensterschloss“. Eine Folge, die sich auch nach über 30 Jahren einer großen Beliebtheit erfreut.
Kurz vor sieben: Das Publikum wird ungeduldig und klatscht sich schon einmal warm. Pünktlich auf die Minute ist es dann endlich soweit und der neueste Streich der drei Detektive aus Rocky Beach wartet darauf, erzählt zu werden. Licht aus, Spot an. Der Bühnenhintergrund leuchtet gespenstisch dunkelblau, die Konturen der Bühne bilden einen leuchtend grünen Kontrast dazu. Gleichzeitig mit zarten Harfenklängen setzt eine Erzählung aus dem Off ein. Eine fremdartige Sprache: Japanisch? Eine Unterhaltung zwischen einem Kind und einem Erwachsenen. Weitere Instrumente sind zu vernehmen, und die Atmosphäre dieser exotischen kleinen Geistergeschichte ist zum Schneiden dicht. Der Höhepunkt: Die aus zahlreichen großen beleuchteten Kacheln bestehende Rückwand der Bühne wird zur Kinoleinwand und lässt einen großen, bunten Drachen auf das Publikum losfliegen. Ein großartiger Klimax, in dem das Zusammenspiel aus Musik, Surround-Sound und Lichtprojektion perfekt aufeinander abgestimmt ist.
Und genau jetzt, am Ende dieser exotischen „Pre Title Sequence“, wird uns Zuschauern klar, dass „Phonophobia“ das Potenzial hat, die drei ??? auf ein neues Level zu heben. Heftiger Applaus.
Dann: Die Stimmen von Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich aus dem Off. Justus, Peter und Bob stürzen gerade mit einem Heißluftballon ab. Eine Mischung aus Action und Character-Comedy. Ein Klasse-Einstieg, an dessen Ende die drei Protagonisten endlich auf der Bühne erscheinen und im Applaus ihres Publikums baden.
Die Story entwickelt sich schnell. Kai Schwinds Bühnenversion orientiert sich nur sehr punktuell an der Buchvorlage „Sinfonie der Angst“, die er gemeinsam mit Kari Erlhoff für den KOSMOS-Verlag geschrieben hat. Das zentrale Thema von Buch- und Bühnenversion ist Synästhesie, die Verbindung zweier – eigentlich unabhängig voneinander agierender – Sinneswahrnehmungen (Stichwort: „Farben hören“). Melodien und Instrumente spielen dabei eine zentrale Rolle. Die drei ??? gelangen in ein merkwürdiges Institut, in dem man sich auf die Umsetzung des Stückes „Phonophobia“ vorbereitet. Offenbar plant das ebenso geniale wie verrückte Musikgenie Yamada einen ganz großen Coup. Und mittendrin: Die drei ???.
Ohne zu viel von der Story zu verraten, darf man sagen: Diese Geschichte ist spektakulär, temporeich und in ihren Grundzügen Hollywood-tauglich: Ein wahnsinniger Gegenspieler mit einem körperlichen Handicap, das er durch seine Willensstärke und seinen Intellekt kompensiert; dazu ein irrer Racheplan, in dem Musik als Waffe eingesetzt wird, ein Hauptquartier, dessen Beschreibung stark an Ken Adams Bühnenbilder der frühen James-Bond-Filme erinnert, und Lakaien, die mindestens so gefährlich wie skrupellos sind.
„Phonophobia“ ist jedoch durch und durch Die drei ???. Das liegt zum einen natürlich an den hervorragenden Sprechern Rohrbeck, Wawrczeck und Fröhlich, die sich durch das Stück hindurch abhetzen, philosophieren, scherzen, tanzen, zum Affen machen, gestikulieren und lachen. Bei der Dortmunder Vorstellung zeigt Jens Wawrczeck seine Spontaneität und baut den Zwischenruf eines Kindes aus dem Publikum gekonnt witzig in die Szene mit ein. Klasse gemacht und super-sympathisch!
Hervorragend sind auch die Gastsprecher, von denen alle einen verdammt guten Job machen und sogar in mehreren Rollen agieren. Allen voran Stefan Krause, der nicht nur drei verschiedene Rollen so unterschiedlich spricht, dass es eine wahre Freude ist, sondern auch noch live Vibraphon spielt. Traudel Sperber hat ebenfalls mehrere Rollen, unter anderem als Künstliche-Intelligenz-Wächterin „Der Mund“. Tanja Fornaro gibt die weibliche Hauptrolle der „Guten“. Schön, sie einmal live auf der Bühne agieren zu sehen.
Ein weiterer Erfolgsgarant ist Kai Schwinds Drehbuch, das die drei ???-Fans immer wieder begeistern kann. Vor allem dann, wenn sich Justus, Peter und Bob urplötzlich am Schauplatz eines ihrer beliebtesten Fälle wiederfinden: Dem Gespensterschloss. Ich muss doch sehr über meine eigene Frage schmunzeln, die ich Kai Schwind im Hörspiegel-Interview gestellt habe: „Wieso hast du dich nicht zurückgelehnt und gesagt: Okay, dieses Jahr ist mal das ‚Gespensterschloss‘ dran?“
Nun, zurück gelehnt hat er sich gewiss nicht. Es gibt rasante visuell unterstützte Flucht-Szenen über eine Seilbahn, zum Brüllen komische Fischaugen-Kamera-Einstellungen und jede Menge Insider-Slapstick. Mit sehr viel Feingefühl balanciert Schwind Neues und Nostalgisches.
Neben allen inhaltlichen Schmankerln, visuellen Effekten und einer richtig guten Sprecherleistung ist der Sound von tragender Bedeutung. Die Geräusche werden erneut von Jörg Klinkenberg „live on Stage“ erzeugt. Egal ob quietschende Türen oder Schrottplatzlärm, hier kommt nichts von Band.
Die Musik stammt von Tilman Ehrhorn (Blasinstrumente) und Jan-Peter Pflug (Synths, Percussion). Er ist recht jazzig/lounge-ig gehalten und wird zusätzlich von Maria Todtenhaupt an der Harfe und Dirk Wilhelm an der Gitarre unterstützt. Es sind keine bekannten Drei ???-Melodien, die gespielt werden, sondern ein völlig neuer Score, der erwachsen und zurückhaltend wirkt, und gerade deshalb in jeder Situation gut passt, weil er nicht überladen oder „gewollt kultig“ klingt.
Kurzum: „Phonophobia“ ist ein weiterer Schritt in Richtung Mega-Mainstream der Marke „Die drei ???“. Und trotzdem gibt es keinen faden Beigeschmack bei dieser Vorstellung. Man gönnt allen Beteiligten den Erfolg. Vor allem, weil sie behutsam und liebevoll mit den Charakteren und der Geschichte der Serie umgehen. So darf es in den nächsten Jahren sehr gern weitergehen.
Vielen Dank an Kai Schwind und Nina Schulze-Pellengahr
Copyright Fotos „Die drei ???“: (c) Christian Hartmann