Traces Hot
Alina Jensch
28. April 2022
Musik
Interpret/Band
Unter-Genre
Label
Veröffentlichungs- Datum
13. Mai 2022
Format
- CD
- Download
- Vinyl
Bandwebsite
Hörspiegel-Meinung
Alina Jensch
Gesamtwertung
10,0
Nach fast vier Jahren melden sich ASH OF ASHES mit ihrem langersehnten zweiten Album zurück. Wir erinnern uns: Aus der Asche der sauerländischen Pagan Metal Band HEL hob Multiinstrumentalist Skaldir das neue Projekt, dessen einzig weiteres festes Mitglied Texter und Growler Morten ist. Das 2018 veröffentlichte Debütalbum „Down the White Waters“ begeisterte Hörer und Kritiker gleichermaßen und machte ASH OF ASHES über Nacht zum Geheimtipp für Genreliebhaber.
Mit dem zweiten Album lastet ein durchaus großer Druck auf den Schultern des Duos, denn jetzt müssen sie beweisen, ob sie sich noch weiter etablieren können oder bereits sämtliches Pulver verschossen haben. Der größte Schock vorweg: Auch „Traces“ erscheint in Eigenregie auf Skaldirs DIY-Label Kalthallen Tonträger. Eigentlich ein Skandal, schließlich wurden schon Bands mit weitaus weniger Argumenten im Gepäck unter Vertrag genommen. Aber es ist, wie es ist, und so bleiben ASH OF ASHES weiter im Underground verwurzelt und – um es mal positiv zu sehen – müssen die Krümel heutiger Verkaufserlöse nicht auch noch mit anderen teilen.
Auch infrastrukturell bleibt man beim bisherigen Erfolgsrezept: Skaldir zeichnet sich als alleiniger Songwriter verantwortlich, singt und spielt die meisten Instrumente; Morten steuert Texte und Growls bei; und ein bunter Strauß internationaler Gäste rundet das Album gelungen ab. Auf „Traces“ rücken die Gastbeiträge allerdings noch viel stärker in den Vordergrund und unterstreichen den kollaborativen Charakter des Projekts in Perfektion. So begeisterte schon die erste Singleauskopplung „Into Eternity“ mit einem Duett mit niemand geringerem als dem eigentlich schon in Musikerrente gegangenen Lars Jensen (MYRKGRAV), und verlieh dem epischen Song einen besonderen, folkigen Touch. Die Interpretation des schwedischen Folksongs „Vem Kan Segla Förutan Vind“ singt mit Thomas Clifford (THRONE OF HERESY, ABSCESSION) passenderweise auch ein echter Schwede. Außerdem ist Rúnahild (ELIWAGAR) auf diesem Album wieder mit dabei, diesmal allerdings nicht an der Hardangerfiedel, sondern als Sängerin in einem Terzett mit Skaldir und Christopher Rakkestad (ELVARHØI) im absolut überwältigenden Albumabschluss „To Those Long Forgotten“.
Anders als „Down the White Waters“ ist „Traces“ nicht konzeptgebunden oder behandelt eine zusammenhängende Geschichte. Viel mehr dreht sich inhaltlich alles lose um das Thema Reise im erweiterten Sinne. Musikalisch liefern ASH OF ASHES genau das, was man sich wünscht und erwartet: mitreißend epische, folkige Songs mit starken Melodien und hymnischen Gesangslinien. Die stilistischen Einflüsse – und auch das Album als solches – sind diesmal abwechslungsreicher. Während der instrumentale Opener „Beyond White Waters“ unverblümt an das Vorgängeralbum anknüpft und „Into Eternity“ den klassischen ASH OF ASHES Sound zelebriert, zeigen die zweite Single „Under the Midnight Sun“ und „A Lion Guards Our Name“ deutliche Black Metal-Einflüsse, wohingegen „The Eternal Traveller“ etwas deutlich Doomiges an sich hat und „Southbound“ Skaldir als KATATONIA-Fan outet. Letzterer fällt als einziger Song musikalisch ein wenig aus der Reihe – auch wenn er mir wirklich gut gefällt, ist das tatsächlich mein einziger Kritikpunkt. Und dann ist da natürlich noch „Evermore“, der mit seinem eingängigen Refrain und Bombast für mich den Hitsong (im positiven Sinne) des Albums darstellt.
Von heiter bis wolkig, finster bis folkig, Drehleier (Tabea Boden) bis Blastbeat (Schlagzeug: Stryx) ist auf „Traces“ alles dabei und nimmt die geneigten Hörer auf eine mitreißende, fantastische Reise.
Klanglich überzeugt das Album, wie auch schon der Vorgänger, auf ganzer Linie. Von Toningenieur Skaldir in seinen eigenen Kalthallen Studios produziert, lässt die Soundproduktion keine Wünsche übrig und besticht durch eine außergewöhnliche Klarheit. Dazu passt auch das Artwork von „Traces“ sehr gut, das übrigens von Gastsänger Christopher Rakkestad gemalt wurde und das Audioerlebnis visuell gut umsetzt.
Ein Song muss aber noch hervorgehoben werden: „To Those Long Forgotten“, die dritte Single des Albums, und wie bereits erwähnt, mit zwei hochkarätigen Gästen bespickt, ist mit seiner unfassbaren Schönheit und Emotionalität der krönende Abschluss dieses Hörerlebnisses. Thematisch unerwartet aktuell, besingen in dem Song zwei Eltern die Trauer über den Verlust ihres Sohnes, der in den Krieg zog und starb. Grandios in verteilten Rollen vorgetragen – Rúnahild als Mutter, Christopher Rakkestad als Vater – und mit einem Gitarrensolo von Sindre Myskja veredelt, hat Skaldir hier sein Nonplusultra gezaubert. Das ist nicht mehr zu toppen.
Freunde des epischen Metals, von Folk, Black und Pagan, sollten „Traces“ dringlichst ein Ohr leihen. ASH OF ASHES präsentieren hier ein handwerkliches und musikalisches Meisterwerk, und zeigen ganz klar, dass sie ihren Platz zwischen den BATHORYs und MOONSORROWs dieser Welt mehr als verdient haben!
Anspieltipps: Into Eternity, Evermore, To Those Long Forgotten