Citizen of Glass Hot
Nico Steckelberg
17. Oktober 2016
Musik
Interpret/Band
Unter-Genre
Label
Veröffentlichungs- Datum
21. Oktober 2016
Format
CD
Anzahl Medien
1
Hörspiegel-Meinung
Nico Steckelberg
Gesamtwertung
10,0
Als die in Berlin lebende Dänin Agnes Obel 2014 ihr zweites Studioalbum „Aventine“ betourte, geschahen zwei für sie einschneidende Ereignisse. Zum einen las sie einen Bericht im Spiegel über den "Gläsernen Bürger", ein Begriff, der sich in ihrem Gedächtnis festsetzte. Zum anderen - weitaus einschneidender - verstarb ihr Vater. So unterschiedlich diese Geschehnisse auch sind, beide kennzeichnen ihr drittes Studioalbum, das am Freitag erscheint.
„Citizen of Glass“ ist düster und sinnlich beschwingt zugleich. Hart wie Glas, und ebenso zerbrechlich. Es ist melancholisch, ohne den Hörer zu erdrücken. Im Gegenteil, es wirkt geradezu magnetisch. Arrangements, die wie geisterhafte Klangkaskaden die Wirbelsäule hinab gleiten und wohlige Gänsehaut hinterlassen. Es ist ein Album, das von vorn bis hinten als gespenstisch bezeichnet werden darf.
Agnes Obels Hauptinstrument ist ihre Stimme, die sie verhallt und in vielen übereinander gelagerten Ebenen harmonisch einsetzt. Es folgen Klavier und Streicher, aber auch andere akustische Instrumente wie Marimba oder – sehr selten – Perkussion. Die Stücke sind instrumental reduziert, aber melodisch hochkomplex. Harmonien und Gesangsspuren sind einzigartig und haben einen hohen Wiedererkennungswert, wie es bereits auf „Aventine“ der Fall war. Hier nun ist Agnes noch verspielter und experimentierfreudiger. So moduliert sie beispielsweise ihre Stimme elektronisch, um sie sich nahezu männlich klingen zu lassen. Verstörend und hochinteressant zugleich.
„Citizen of Glass“ ist eines nicht: Ein Schnellzünder. Es ist nicht ganz so catchy wie das Vorgängeralbum. Das soll und muss es auch gar nicht sein. Denn es ist so grandios tiefgründig, schwermütig und anschmiegsam wie eine melancholische Katze an einem kühlen, goldenen Herbsttag.