Nevermind (Deluxe Edition) Hot
Musik
Hörspiegel-Meinung
Vor beinahe auf den Tag genau 20 Jahren erschien das zweite Studioalbum einer Band, die bis dato eher in der heimischen Musikszene in Seattle, Washington, bekannt war. Der Titel des Albums: „Nevermind“. Die Band: Nirvana. Und dieses Album sollte den Lifestyle einer ganzen Generation prägen.
Im Jahr 1991 beherrschen die großen und glamourösen Rock-, Pop- und Metal-Acts die Musikwelt. Bon Jovi veröffentlichen „Keep the Faith“, Queen geht mit „Innuendo“ an den Start, Guns n‘ Roses‘ „Use your Illusion I & II“ erscheint, das „schwarze Album“ von Metallica erblickt das Licht der Welt und U2 bringen „Achtung Baby“ in die Läden. Doch mit dem, was die dreiköpfige Grunge-Band Nirvana da auf CD presst, hat das alles nichts gemein.
Kurt Kobain, damals 24 Jahre alt, verarbeitet seine ungezügelte, jugendliche Wut und seine Abscheu vor den Entscheidungen der oberflächlichen Welt in seinen teils eindeutigen, teils verschlüsselten Texten. Zusammen mit Krist Novoselic am Bass und Dave Grohl (heute Foo Fighters) an den Drums spielt er zwischen Mai und Juni 1991 die meisten der 12 Songs (plus 1 Hidden Track) in den Sound City Studios, Van Nuys, Kalifornien, ein. Unter der Produktionsregie von Butch Vig entsteht ein emotional geladenes und gleichsam depressiv-lethargisches Album, das einerseits das wütende Bauchgefühl des Punk mit sich bringt, andererseits die Härte von Rock und die melodiöse Eingängigkeit von Popmusik. Es ist eine Revolution! Und heute, noch 20 Jahre später, hat diese CD nichts von ihrem Reiz verloren, jedes Stück für sich ein kleines, rohes Meisterwerk.
Zum Jubiläum erscheint die Deluxe Edition von „Nevermind“. Auf CD 1 gibt es das klassische Album und einige B-Side-Aufnahmen. Darunter die Studio-Versionen von „Even in his Youth“, „Aneurysm“ und „Curmudgeon“ und einige Live-Aufnahmen von Nevermind-Songs und anderen Stücken.
CD 2 enthält die „Smart Studio Sessions“ mit zusätzlichen Versionen des Albums und unbekannteren weiteren Stücken. „The Boombox Rehearsals“ sind Original Demo-Aufnahmen aus dem Proberaum, schrecklich knackend und knisternd und kaum verständlich. Und gerade deshalb sehr „nah dran“ an der Band und der Ursprünglichkeit der Songs. Wer selbst früher Musik gemacht hat und heute Aufnahmen aus dem Proberaum von früher hört, weiß, was ich meine. Abgerundet wird CD 2 durch „Drain You“ und „Something in the Way“ aus den BBC-Sessions.
Ganz ehrlich: Ich hätte das Zusatzmaterial nicht zwingend gebraucht. Es ist sehr interessant es zu hören und weckt Erinnerungen. Aber wirklich wertvoll sind die Bonus-Stücke wohl nur für Nirvana-Hardcore-Fans. Denn zahlreiche der Aufnahmen waren bislang unveröffentlicht. Trotzdem wertet dieser Bonus das Album natürlich um keinen Deut ab.
„Nevermind“ von Nirvana war und ist ein Album voll rauer, jugendlich rebellierender Schönheit, das bereits die Grenzen eines Genres zu überschreiten vermochte, das erst durch es selbst so richtig bekannt werden sollte. „Nevermind“ war jedoch nicht nur der Türöffner für die Grunge-Bewegung. Zwar half ihr das Album um aus der räumlichen Enge von Seattle in die ganze Welt zu entfläuchen. „Nevermind“ war jedoch vielmehr der Startschuss für ein neues Denken: Wozu die ganze Politur? Größe ist nichts. Glamour ist tot.