BRENDAN PERRY: Ark Tour 2010 live in Köln Hot
Nico Steckelberg
22. März 2010
Bericht
Künstler
Veranstaltungsort
Location
Veranstaltungsdatum
21. März 2010
Hörspiegel-Bericht
Es ist ein kleines Wunder: Als 1996 mit „Spirit Chaser“ das letzte Studioalbum der unverwechselbaren Dead Can Dance erschien und es sich danach abzeichnete, dass es wohl keine weiteren Studioalben der Band geben würde, konnte niemand ahnen, dass die beiden Hauptmusiker hinter DCD auf ihren eigenen Pfaden – jedoch in recht unterschiedlichen Richtungen – auch zu Solo-Weltstars entwickeln würden. Dead Can Dance war eine stets überraschende Mischung aus Dark Wave, Alternative Rock, World Music, Neoklassik und Chorälen im multi-ethnischen Klangbild. Während sich Lisa Gerrard, die Sängerin des Duos, vermehrt der Filmmusik widmete und hier unzählige große Erfolge feierte (u. a. Zusammenarbeit mit Ennio Morricone oder Hans Zimmer für diverse Hollywoodproduktionen wie beispielsweise Mission Impossible 2 oder Gladiator), waren Brendan Perrys musikalische Folgeschritte bedächtiger und ohne vergleichbar große „Bühne“.Brendan Perrys bislang einziges Solo-Album „Eye of the Hunter“ (war ruhig, bedächtig. Puristische Singer-Songwriter-Stücke mit akustischer Instrumentierung. Keine Spur von der ursprünglichen Düsternis und Melancholie vieler früherer Dead-Can-Dance stücke. Das Album lebte vor allem von Perrys gutem Sonwriting und seiner einprägsamen, warmen Stimme. Nach dem Debut-Album wurde es musikalisch still um Brendan Perry. 2002 war ein zweites Solo-Album namens „Zun-Zun“ angekündigt, das jedoch nie erschien. Perry verwirklichte sich mit seiner „Quivvy School of Samba“. Hier hält er in seiner eigenen Quivvy Church regelmäßig Percussion-Workshops. 2010, 14 Jahre nach dem letzten Dead Can Dance-Werk und 11 Jahre nach dem letzten Solo-Album erscheint nun „Ark“.
Auf „Ark“ hat sich der inzwischen 50-Jährige Musiker komplett neuen musikalischen Wegen gewidmet: Für das Album arbeitete er ausschließlich mit Samples und elektronischen Sounds. Und dennoch: Es ist unverkennbar Brendan Perry. Für drei Konzerte kam Perry auch nach Deutschland. Wir hatten die Chance, den Musiker auf seinem Live-Konzert in Köln zu erleben.
Doch zunächst geben sich Tula die Ehre. Es ist 20.00 Uhr, und die 5 Musiker betreten die Bühne. Tula spielen melancholische, experimentelle Musik mit einem leichten naiv-psychotischen Touch. Die Songs basieren hauptsächlich auf Gitarre und der angenehmen Stimme der Sängerin. Hier wird viel experimentiert: Die Gesangsspuren sind außergewöhnlich, und auch Instrumente wie das Akkordeon, Glockenspiel und Tastenflöte sieht man eher selten auf der Bühne. Wichtigstes Stilelement ist jedoch der stetige Spannungsaufbau. Die Songs nehmen sich Zeit um sich zu entwickeln. Sehr schön, vom Stil her hätte auch David Lynch seine Freude gehabt. Hoch anrechnen muss man Tula, dass die Musiker es mit sehr geringen musikalischen Mitteln und trotz nahezu nicht vorhandener Lightshow geschafft haben, eine mal zauber-, mal geisterhafte Atmosphäre zu erzeugen. Kein Wunder also, dass der Schlussapplaus des Kölner Publikums sehr ausgiebig ausfällt.
Um fünf nach neun startet dann das Hauptkonzert des Abends: Brendan Perry und Band betreten die Bühne. Als erstes wird direkt ein Dead Can Dance-Klassiker zum besten gegeben um das Publikum auf den Abend einzustimmen: „The Arcane“ vom Debut-Album der Band. Man fühlt sich direkt ins Jahr 1984 zurück versetzt. Das Publikum ist begeistert und bereit für die neuen Stücke. Gleich der zweite Song des Abends ist ein gänzlich unveröffentlichter: „Love on a Vine“. Ein sehr schönes Stück. Und es sei allen Freunden von Brendan Perrys Musik gesagt: Die neuen Stücke sind allesamt hervorragend und erinnern atmosphärisch und kompositorisch sehr stark an die „alten Tage“ von Dead Can Dance.
Neben diesen zahlreichen neuen Songs, die auf dem kommenden Album Ark (VÖ im Juni 2010) erscheinen werden, hält Perry viele Klassiker (entweder von Dead Can Dance oder aus der „Eye of the Hunter“-Phase) für seine Fans bereit: „The Carnival is Over“, „A Passage in Time“, „Eye of the Hunter“ und „Medusa“.
Die neuen Stücke fallen durch ihre sehr tanzbare Rhythmik und die einprägsamen Vocallines positiv auf. Während das Publikum zu „Utopia“ eher zum Tanzen aufgelegt ist, darf beim romantischen Stück „Eros“ auch mal ein ruhigerer Gang eingelegt werden. Mit „This Boy“ wird endlich das von mir lang ersehnte Stück „Lies“ seinen Einzug auf einen Tonträger finden. Leider bietet „This Boy“ nicht mehr die hervorragenden Gesangslinien und Texte von „Lies“, lediglich die Instrumentierung und ein Teil des Textes sind geblieben. Sehr schade. Trotzdem immer noch ein hervorragender Song!
Nach zweimaligem Verlassen der Bühne kehrt Perry ein letztes mal auf die Bühne zurück um sich mit „Severance“ (vom DCD-Album „The Serpent’s Egg“ aus dem Jahre 1988) zu verabschieden. Um kurz nach halb elf ist der Zauber dann vorbei. Schade nur, dass es weder Tonträger am Merchandising-Stand zu kaufen gibt noch eine Autogrammstunde. Der Nightliner ist in diesen Minuten, da dieser Text geschrieben wird, bereits auf dem Weg nach Berlin, wo Perry morgen im „Babylon“ spielt. Am Dienstag geht es dann (als letzte Deutschland-Station) nach Dresden in den Alten Schlachthof.
Fazit: Brendan Perry ist einer der besten Songwriter und Sänger unserer Tage. Es ist eine kleine Offenbarung, diesen Mann live singen und spielen zu hören. Die tiefgründige, melancholische Grundstimmung des Abends wird noch eine lange, beeindruckende Wirkung haben. Wer die Chance hat, sollte eines der noch verbleibenden Konzerte von Brendan Perry besuchen. Mehr als nur hörenswert!
(Fotos: Markus Skroch; Veranstalter: FKP Scorpio)