präsentiert:
Ist
es normal, wenn man Kinderhörspiele hört, obwohl man schon über
20, vielleicht sogar schon über 30 ist? Offenbar ja, denn die Gruppe
der bekennenden Kassettenhörer unter den Erwachsenen wird immer größer.
Längst auf dem Dachboden verstaute Koffer mit „Fünf Freunde“-,
„Drei ???“- oder „TKKG“-Abenteuern werden wieder hervorgekramt, man hört
die Kassetten beim Aufräumen, Autofahren oder zum Einschlafen.
Daher ist es auch kein Wunder, dass Hörspiel-Events
aller Art momentan Hochkonjunktur haben. Hörspielgenuss als Kollektiverlebnis
hat sich zu einer neuen Form der Unterhaltung entwickelt. Bühnenveranstaltungen
des Wuppertaler Vollplaybacktheaters oder das vom EUROPA-Label organisierte
„Drei ???“-Live-Hörspiel „Master
of Chess“ waren stets ausverkauft und haben insgesamt schon weit über
100.000 Besucher begeistert. Auch Hörspielabende, wie sie in immer
mehr Großstadt-Lokalen veranstaltet werden, sind inzwischen schon
mehr als ein Geheimtipp.
Längst
sind es nicht mehr nur die Kinder, die bei den Hörspielproduzenten
für steigende Absatzzahlen sorgen. Viele Erwachsene, die wieder unter
die Kassettenhörer gegangen sind, müssen schließlich verschollene
Hörspiele nachkaufen oder alte Sammlungen komplettieren. Es gibt Schätzungen,
nach denen 70 % der „Drei ???“-Hörer nicht zur eigentlich von Europa
anvisierten Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen gehören.
Obwohl wir es bei dem neuen Kassettenkult mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun haben, das kaum noch zu übersehen ist, wurde er in den Medien bisher nur ansatzweise reflektiert. Aus diesem Grund hat die 28 jährige Autorin Annette Bastian, selbst leidenschaftliche Kassettenhörerin, diesem Thema ein Buch gewidmet.
„Das
Erbe der Kassettenkinder“ beschreibt aber nicht nur das Phänomen,
sondern versucht auch, seinen Wurzeln auf die Spur zu kommen. Wer die Autorin
bei der Lektüre durch ihre Hörspielkindheit begleitet, wird einige
Wiedererkennungseffekte erleben. Dem Leser wird bewusst, dass in den 80er
Jahren fast eine ganze Kindergeneration vor dem Kassettenrekorder gesessen
und Jugendkrimis gelauscht hat, wodurch das Hörspielkollektivgedächtnis
entstanden ist, aus dem sich der aktuelle Retro-Kult speist. Die Hörspielhelden
der Kindheit sind viel tiefer im Gedächtnis verankert, als es Protagonisten
aus Büchern oder Filmen je sein könnten. Da Kinder ihre Lieblingskassetten
wieder und immer wieder anhören, kennen sie die Geschichten bald Wort
für Wort auswendig, und das meist für den Rest ihres Lebens.
Wer „Das Erbe der Kassettenkinder“ liest,
wird viel über das Kultmedium Hörspielkassette und die wichtigsten
Jugendkrimiserien der 80er Jahre erfahren, er wird an einigen Stellen staunen,
an vielen anderen schmunzeln
und sich, falls er selbst ein Kassettenkind
ist, mit Sicherheit verstanden fühlen.
„Das Erbe der Kassettenkinder“ ist im eccomedia Verlag erschienen, broschiert, umfasst 176 Seiten und kostet 14,90 Euro.