Hörspiegel-Meinung (ad):
Malin Schwerdtfegers Romandebüt Café
Saratoga erzählt das Ende einer polnischen Kindheit, die über
Nacht zu einer deutschen Jugend werden musste.
Zur Story:
Malin Schwerdtfegers erster Roman erzählt
vom Erwachsenwerden zweier polnischer Schwestern, von Liebe und Freundschaft,
in einem neuen, teilweise vulgären aber unverwechselbaren Ton. Für
die beiden pupertierenden Schwestern Sonja und Majka ist die polnische
Halbinsel Hel in ihren Sommerurlauben ein Ort der Abenteuer und Erweckungen.
Diese Zeit verbringen sie im Café Saratoga, das ihr Vater von der
steinalten Tante Apolonia übernimmt. Das Meer, die eigenen Körper,
die Männer und vieles mehr werden von den Schwestern entdeckt. Aber
was für die Mädchen Hel ist, ist für den Vater, der mit
seiner kindischen, vitalen Verrücktheit alle, auch die von ihm geschiedene
Frau, an sich kettet, Westdeutschland. Eines Tages, die Familie hat deutsche
Vorfahren, kann Tata ausreisen. Die ganze Familie, auch die oft meckernde
kranke Mutter Lilka, folgt. Sonja, die Ich-Erzählerin, wird in diesen
Zeiten zögerlich zur Frau. Ihr Vater Tata, den sie abgöttisch
liebt, feuert sie beim „Frauwerden“ regelrecht an. Er ist wahnsinnig stolz,
als sich bei Sonja die ersten Zeichen des Erwachsenwerdens zeigen. Nur
Tata selbst bleibt ewig gleich.
Für Sonja und ihre Familie liegen
Welten zwischen Hel, dem Zuhause und der Fremde, die beharrlich lockt und
Bundes heißt. Eines Tages verlässt Tata seine Töchter,
um Schrauber bei Mercedes in Bremen zu werden. Es wird nun Zeit für
die ganze Familie Hel zu verlassen und nach Bundes zu gehen. Mit dem Verlassen
des Paradieses der Kindheit ist dieselbe natürlich auf einen Schlag
vorbei. Aus der polnischen Kindheit am Strand muss über Nacht eine
deutsche Jugend als Schrauberstochter in Bremen werden, in der es wichtiger
ist, die deutsche Sprache einwandfrei zu beherrschen als Jungs auf Kuttern
zu becircen.
Die Erfahrungen der polnischen Aussiedler
in Deutschland sind ziemlich verstörend und dennoch beeindruckend
aber ganz unspektakulär geschildert. Durch die Beschreibung des „als
Pole in Deutschland leben“ in der Vergangenheit und als Geschichte eines
heranwachsenden Mädchens, wird die Verwirrung, das Fremdsein und die
Ausgrenzung um so deutlicher. Erst hier kann sich Sonia von ihrem
dominanten Vater lösen. Dieser wird lächerlicher. Die DDR hat
mittlerweile aufgehört, zu existieren und die Heldentat des Vaters,
die Ausreise in den Westen, ist bedeutungslos geworden. Sonia wird klar,
das alles was ihr bleibt nur eine zerstörte Familie ist - und die
Erinnerung an Hel. Die mittlerweile erwachsene Sonia beschliesst, noch
einmal nach Hel zurück zu kehren. Diese Reise in die Vergangenheit
gibt dem Roman seinen Rahmen.
Fazit:
Malin Schwerdtfeger erzählt diese
Geschichte vom Erwachsenwerden, von polnischen und deutschen Mentalitäten,
von scheiternden Ehen und bedingungsloser Liebe, von Freundschaft und Aufbruch.
Dabei fängt sie die Welt der beiden Mädchen sicher und authentisch
ein. Die Geschichte ist erst ziemlich gewöhnungsbedürftig; wohl
auch wegen der ungewohnten Direktheit, mit der Malin Schwerdtfeger die
Geschichte erzählt.
Die Sprecherin Anne Moll schaffst es jedoch
gekonnt, den Leser in einen Bann zu ziehen und gibt der Geschichte durch
Ihre spezielle Art der Betonungen ihren eigenen Charme.
Hörspiegel-Skala: | |
1. Story | ![]() |
2. Atmosphäre | ![]() |
3. Sprecher | ![]() |
4. Soundtrack | ![]() |
5. Aufmachung | ![]() |
ENDERGEBNIS (gerundet) | ![]() |