Malin Schwerdtfeger
"Café Saratoga"

© 2003 Lübbe Audio
Rückentext:
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Hörspiegel-Meinung (ad):
Malin Schwerdtfegers Romandebüt Café Saratoga erzählt das Ende einer polnischen Kindheit, die über Nacht zu einer deutschen Jugend werden musste.
 
Zur Story:
Malin Schwerdtfegers erster Roman erzählt vom Erwachsenwerden zweier polnischer Schwestern, von Liebe und Freundschaft, in einem neuen, teilweise vulgären aber unverwechselbaren Ton. Für die beiden pupertierenden Schwestern Sonja und Majka ist die polnische Halbinsel Hel in ihren Sommerurlauben ein Ort der Abenteuer und Erweckungen. Diese Zeit verbringen sie im Café Saratoga, das ihr Vater von der steinalten Tante Apolonia übernimmt. Das Meer, die eigenen Körper, die Männer und vieles mehr werden von den Schwestern entdeckt. Aber was für die Mädchen Hel ist, ist für den Vater, der mit seiner kindischen, vitalen Verrücktheit alle, auch die von ihm geschiedene Frau, an sich kettet, Westdeutschland. Eines Tages, die Familie hat deutsche Vorfahren, kann Tata ausreisen. Die ganze Familie, auch die oft meckernde kranke Mutter Lilka, folgt. Sonja, die Ich-Erzählerin, wird in diesen Zeiten zögerlich zur Frau. Ihr Vater Tata, den sie abgöttisch liebt, feuert sie beim „Frauwerden“ regelrecht an. Er ist wahnsinnig stolz, als sich bei Sonja die ersten Zeichen des Erwachsenwerdens zeigen. Nur Tata selbst bleibt ewig gleich.
 
Für Sonja und ihre Familie liegen Welten zwischen Hel, dem Zuhause und der Fremde, die beharrlich lockt und Bundes heißt. Eines Tages verlässt Tata seine Töchter, um Schrauber bei Mercedes in Bremen zu werden. Es wird nun Zeit für die ganze Familie Hel zu verlassen und nach Bundes zu gehen. Mit dem Verlassen des Paradieses der Kindheit ist dieselbe natürlich auf einen Schlag vorbei. Aus der polnischen Kindheit am Strand muss über Nacht eine deutsche Jugend als Schrauberstochter in Bremen werden, in der es wichtiger ist, die deutsche Sprache einwandfrei zu beherrschen als Jungs auf Kuttern zu becircen.
 
Die Erfahrungen der polnischen Aussiedler in Deutschland sind ziemlich verstörend und dennoch beeindruckend aber ganz unspektakulär geschildert. Durch die Beschreibung des „als Pole in Deutschland leben“ in der Vergangenheit und als Geschichte eines heranwachsenden Mädchens, wird die Verwirrung, das Fremdsein und die Ausgrenzung um so deutlicher. Erst hier kann sich  Sonia von ihrem dominanten Vater lösen. Dieser wird lächerlicher. Die DDR hat mittlerweile aufgehört, zu existieren und die Heldentat des Vaters, die Ausreise in den Westen, ist bedeutungslos geworden. Sonia wird klar, das alles was ihr bleibt nur eine zerstörte Familie ist - und die Erinnerung an Hel. Die mittlerweile erwachsene Sonia beschliesst, noch einmal nach Hel zurück zu kehren. Diese Reise in die Vergangenheit gibt dem Roman seinen Rahmen.
 
Fazit:
Malin Schwerdtfeger erzählt diese Geschichte vom Erwachsenwerden, von polnischen und deutschen Mentalitäten, von scheiternden Ehen und bedingungsloser Liebe, von Freundschaft und Aufbruch. Dabei fängt sie die Welt der beiden Mädchen sicher und authentisch ein. Die Geschichte ist erst ziemlich gewöhnungsbedürftig; wohl auch wegen der ungewohnten Direktheit, mit der Malin Schwerdtfeger die Geschichte erzählt.
 
Die Sprecherin Anne Moll schaffst es jedoch gekonnt, den Leser in einen Bann zu ziehen und gibt der Geschichte durch Ihre spezielle Art der Betonungen ihren eigenen Charme.
 
 

Hörspiegel-Skala:
1. Story 
2. Atmosphäre
3. Sprecher
4. Soundtrack
5. Aufmachung
ENDERGEBNIS (gerundet)
(Annika Dietrich, © 2003 Der Hörspiegel )