Robert Schneider
"Kristus"

© 2005 D>A<V
Rückentext:
Im Alter von acht Jahren empört er seinen Schulmeister mit dem Wunsch, "Kristus" werden zu wollen. Mit 25 läßt er sich zum König der Wiedertäufer krönen, mit 27 endet sein Leben nach einem spektakulären Schauprozeß am Lamberti-Kirchturm zu Münster: Jan Beukels (1509-1536), Gottsucher, Prophet und Scheusal, war ein religiöser Fanatiker, und seine Geschichte ist noch heute so wahr wie aktuell, abenteuerlich, düster und bizarr. Robert Schneider ("Schlafes Bruder"), bekannt für die hohe Musikalität seiner Sprache, erzählt mit Worten, die schaudern machen. Aus dem "lebendigen und funkensprühenden Geschichtspanorama" (ZeitPunkt Leipzig) hat der WDR ein Hörspiel gemacht, das ganz im Stil von "Die Päpstin" Zeit und Akteure heraufbeschwört: eine opulente akustische Reise ins 16. Jahrhundert.

Hörspiegel-Meinung (ste):
Robert Schneider hat eine große Stärke: Er kann historisch angesiedelte Geschichten so gut erzählen, dass man sich mitten in ihnen wähnt. Bereits mit dem kongenialen „Schlafes Bruder“ schuf er einen Roman, der mit seiner Mischung aus Gesellschaftsbeschreibung und Mysterium Seinesgleichen sucht.

„Kristus“ ist anders. Es beschreibt das Leben einer reellen Person. Das heißt, Schneider beschreibt deren Leben, wie es abgelaufen sein könnte. Die Rede ist von Jan Beukels, der sich aufmachte, Gott zu finden und ein eigener Messias zu werden. Alles begann im Kindsalter, als er bei einer Prozession einem als Christus verkleideten Mönch versehntlich vor den Karren springt. Jan kennt von nunan sein Lebensziel. Als sein Lehrer seine Schüler bittet, ihr Berufsziel auf ein Stück Papier zu schreiben, entscheidet sich Jan für „Kristus“ und erntet Spott und Unverständnis. Jan wird zu einer Person, die wir heute einen religiösen Fanatiker nennen würden. Doch es gibt eine weitere Wendung in seinem Leben. Er zieht mit einem vermeintlichen Freund nach London, dem „neuen Jerusalem“,  um dort sein Werk zu beginnen. Doch dieses wird von einem Betrüger zerstört. Er verliert sein gottgegebenes Vertrauen in die Menschen und die göttliche Vorhersehung und kehrt als veränderter Mensch in seinen Heimatort zurück. Was er findet, gefällt ihm nicht.

„Kristus“ ist ein Roman, der viele Fragen aufwirft. Fragen nach der Vereinbarkeit der geistigen, körperlichen und Gottesliebe, nach der sinnhaftigkeit von Idolen, nach Priorisierungen im Leben und nach Vertrauen. Atmosphärisch dicht und von den Sprechern überzeugend übersetzt.

Das Mystische jedoch fehlt in „Kristus“, welches „Schlafes Bruder“ so besonders gemacht hat. Und so ist „Kristus“ ein hörenswerters historisches Hörspiel, das sich jedoch nur wenig von anderen Hörspielen dieser Art abhebt. Guter Soundtrack, gute Sprecher. Aber der gewisse Funken fehlt noch, damit es perfekt wäre.

Auf 3 CDs kommt „Kristus“ in einem sehr schicken DigiPak in den Handel. Sieht prima aus. Erschienen bei D>A<V.
 

Hörspiegel-Skala:
1. Story
2. Atmosphäre
3. Sprecher
4. Soundtrack
5. Aufmachung
ENDERGEBNIS (gerundet)
(Nico Steckelberg, © 2006 Der Hörspiegel )