Hörspiegel-Meinung (tw):
Eine in der Tat wertvolle Wiederentdeckung
stellen diese verloren geglaubten Aufnahmen aus den frühen Sechzigern
dar, die mustergültig beweisen, dass auch mit wenig Mitteln ganz intensive
Atmsophären inszeniert werden können. Im Zweifelsfall reichen
gute Ideen, herkömmliche Aufnahme-Geräte und ein Charakter wie
Klaus Kinski, dessen ungewöhnliches Talent auch nicht durch Schundfilme
in den Dreck gezogen werden kann.
Doch bleiben wir bei den guten Ideen:
Horst Bieneks „Sechs Gramm Caratillo" ist ebenso einfach wie genial, für
Kinski geradezu eine Steilpassvorlage. Ein Wissenschaftler, der die tödliche
Wirkung von Caratillo am eigenen Leib dokumentieren möchte, zeichnet
seine - wie er durch Berechnung selbst glaubt - letzte halbe Stunde auf
einem Tonband auf.
Daraus ergibt sich eine vorhersehbare
Dramaturgie, welche den Hörer jedoch umso mehr fesselt, da Kinski
mit den Vorstellungen des Hörers, welcher sich in den Protagonisten
hinein versetzt, ganz famos und skrupellos spielt...
Obwohl auf den ersten Eindruck thematisch
harmloser, wirkt das zweite Hörspiel „Die Nacht allein" noch grausiger,
um nicht zu sagen: entrückt. Kinski spricht einen Akademiker, der
in einer ihm fremden Großstadt vor die Endlosigkeit der möglichen
Bekanntschaften gestellt, zwischen Erinnerungen an seine eigene tragische
Vergangenheit, Alkohol und die Leere des Alleinseins und bleibens, langsam
aber sicher dem Wahnsinn verfällt. Jegliche Sicherheiten lösen
sich im Nichts von Smalltalks an Bars und durchaus tiefgründigen,
aber dennoch im Morast des Jetzt versickenden Gedanken eines Portiers auf.
So viele Menschen, doch wie schon in Hesses „Im Nebel" bleibt nur die schonungslose
Feststellung: „Jeder ist allein." Beklemmend, bedrückend, städtisch
finster, hörspieltechnisch ein Äquivalent zu Ulvers Meisterwerk
„Perdition City".
Hörspiegel-Skala: | |
1. Story | ![]() |
2. Atmosphäre | ![]() |
3. Sprecher | ![]() |
4. Soundtrack | ![]() |
5. Aufmachung | ![]() |
ENDERGEBNIS (gerundet) | ![]() |