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"Eine ganz kleine Profilneurose?"
Ein Hörspiegel-Interview / © 2006 Der Hörspiegel / (Fotos & Cover © Dracul)
Das neue Dracul-Album ist seit wenigen Wochen auf dem Markt. Michael Brinkschulte vom Hörspiegel stellt Mastermind Mozart ein paar Fragen.

Hörspiegel: Hallo Mozart, lang ist es her, dass ich mit den ersten Veröffentlichungen aus Deiner Feder in Berührung kam. Damals noch mit „The Electric Avantgarde“. In meiner Sammlung finden sich auch noch das alte Demo-Tape und der „Pieces d'Etage Sampler“, gutes altes Vinyl. Blickst Du noch oft auf die lang vergangenen Tage zurück oder ist die Blickrichtung klar auf die Zukunft ausgerichtet?

Mozart: Na ja, ab und an blick ich auch zurück, während ich nach vorne stolpere. Gerade haben wir unsere DVD mit UMBRA ET IMAGO fertiggestellt, da gab es bei dem historischen Zusammenschnitt, viele Möglichkeiten zurückzublicken. Ich muss sagen, ich hatte ganz schönen Spaß und die anderen Beteiligten nicht minder. Jeder der einen Vergangenheit hat, hat auch eine Zukunft.

Hörspiegel: Wurde das erste Dracul Album von Umbra Et Imago Fans noch recht kritisch gesehen, scheint sich das mit den weiteren Veröffentlichungen gelegt zu haben. Wie ist Deine Einschätzung, haben sich zwei unterschiedliche Fangruppen zu beiden Projekten entwickelt oder sind die Übergänge fließend?

Mozart: Die erste Dracul entstand ja aus erzwungenen Gründen. Das damalige Label wollte uns nicht ziehen lassen, wir hatten Knatsch und da uns mit UMBRA eine einstweilige Verfügung angedroht wurde, haben wir „Die Hand Gottes“ aufgenommen. Rache war das Motiv und der Sound recht ungewöhnlich, wir hatten ja nix zu verlieren. Die zweite Scheibe war dann schon der „Wegbereiter“ der dritten, wir hatten eine klarere Idee, es sollte konträr zu UMBRA ET IMAGO elektronisch sein. Die dritte Scheibe war dann schon sehr Club orientiert und auch noch erfolgreich dazu. Na was hätten wir machen sollen, es juckt dann halt so gewaltig....

Hörspiegel: Betrachtet man die Menge an Veröffentlichungen von Dracul und Umbra Et Imago zusammen, erkennt man eine unheimliche Kreativität. Zudem bist Du noch als DJ unterwegs und hast mit der Kulturruine sicherlich nicht wenig Arbeit. Woher nimmst Du die Energie und Deine Inspiration zu Text und Musik?

Mozart: Die Ideen kommen ja meist durch die Arbeit als Solche. Ich bin der schwarze Schwamm, der alles aufsaugt, da unser tägliches Gothic Theater sowieso schon lange ein Lebensgefühl ist, prasselt alles so auf einen ein. Klar muss man mal einen Gang runterfahren, faul sein, versteht ihr, aber dann kommt der Hunger. Da wir im und für den schwarzen Sumpf arbeiten, müssen wir sehr produktiv sein um überhaupt wirtschaftlich bestehen zu können. Weder von UMBRA ET IMAGO noch von DRACUL können wir leben, wir haben so viele Streiter an Bord, da verteilt sich der Kuchen ganz schön zackig. Deshalb sind wir immer am Start und haben dadurch aber desshalb den Puls der Zeit immer vor Augen.

Hörspiegel: Im Vergleich mit der ersten Veröffentlichung von Dracul erkennt man einen steten Wandel in Instrumentierung und musikalischer Ausrichtung. Ein deutlicher Unterschied war schon von „Die Hand Gottes“, das noch recht experimentell anmutete, zu „Speichel und Blut“ zu erkennen. Hatte dies mit dem damaligen Ausstieg von Alex Perin, der ja schon bei „The Electric Avantgarde“ dabei war, zu tun, bzw. mit dem Einstieg von Lutz Demmler?

Mozart: Ja, die wesentlichen Musiker hinterlassen immer die Handschrift. Ich habe damals mit Alex die Songs erarbeitet, heute tue ich es mit Lutz. Aber gerade bei der neuen DRACUL Scheibe hat auch Birkenbeil wesentlichen Anteil, er war zuständig für die klassischen Sounds und hat mit mir fleißig die Samples aus der Spreu gelöst und in nette Happen geschnitten.

Hörspiegel: Die Stücke sind von Album zu Album immer tanzbarer und clubtauglicher geworden. Ist Dracul inzwischen speziell auf den Clubeinsatz ausgerichtet?

Mozart: Auf jeden Fall, nur so gibt’s überhaupt die Möglichkeit die Scheibe vorzustellen. Das ist schon mit UMBRA schwierig alle zu erreichen, ohne Radio und TV Support. Mit Dracul wäre ein vernünftiger Verbreitungsgrad ohne Clubs undenkbar.

Hörspiegel: Waren in der Vergangenheit auch bei Dracul Gitarren im Einsatz, so stellt man bei „Like An Animal“ eine rein elektronische Ausrichtung fest. Soll damit eine klarere Abgenzung zu Umbra Et Imago vollzogen werden?

Mozart: Dracul ist auch eine Konsequenz aus meiner Arbeit als DJ. Man sieht einfach deutlich was wo funktioniert und vor allem man durchschaut welche Kriterien wichtig sind um einen Clubhammer zu landen. Sounddesign würde ich alle erfolgreichen Elektroacts nennen, das ist völlig differenziert zu einer gitarrenlastigen Band wie z.B. Umbra. Aber auch bei einem gängigen Sounddesign hat man die Möglichkeit was „Eigenes“ unter zu schmuggeln, das war bei uns die Verbindung zwischen angesagten Sounds und klassischen Tönen wie alter Tasteninstumenten oder Streichern. Die Songs selbst auch der Text ist dann schon wieder eine andere Baustelle.

Hörspiegel: Dracul setzt neben Deiner Stimme nun verstärkt auch auf weibliche Vocals. Wie kam es zu der Entscheidung komplette Songs wie „Vampirias Dream“ von weiblichen Wesen singen zu lassen? (Ich gehe davon aus, dass Du weiterhin für den Text verantwortlich bist, dies war leider aus der Presseinfo nicht ersichtlich.)

Mozart: Ja, wir wollten einfach wie auch schon bei dem letzten Album für ABWECHSLUNG sorgen. Wir sind nun schon ein festes Team, also haben wir auf Gäste verzichtet. Lahaania hat dann auch die Möglichkeit genutzt ihre eigenen Songs zu schreiben, weil sie diese auch eigenständig interpretiert und singt. Das ist so meine einzige Macke, ich möchte nur meine eigenen Texte singen, oder zusammen mit einem Partner geschriebene Texte. Denn ich möchte mich darin wiederfinden und auch nur meine Gülle kann ich klar und selbstbewusst nach außen vertreten. Ich denke diese Zusammenarbeit mit klaren Kompetenzen für jeden Musiker, macht die Scheibe so interessant.

Hörspiegel: Ihr verwendet beim neuen Album wieder eine sehr interessante Mischung aus deutschen und englischen Texten. Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass nicht eine Sprache durchgehend Verwendung findet?

Mozart: Ja, ich schreibe gerne Songs in der Sprache in der ich denke und mit der ich lebe und erlebe. Die englische Sprache hat dann aber wieder so einen verführerischen Fluss, schon iss’er da, der Cocktail. Es ist soooooo schrecklich, aber wir leben auch  in so einem babylonischen Zustand. Mit unsrer Anglizismen-Mode, dass dies, außer dir natürlich, niemand mehr zu bemerken scheint.

Hörspiegel: Wie siehst Du in diesem Zusammenhang die derzeitige Entwicklung zu vermehrt deutschsprachiger Musik?

Mozart: Ich hasse sinnlosen Kulturimport, der nicht im Zusammenhang mit dem Lebensgefühl steht. Deshalb kann ich eigenständige regional gekochte Musik nur gut finden. Authentische außerirdische Musik finde ich natürlich auch Klasse, ich bin ja kein verklemmter Nazi. Aber das sinnlose angeschleimte nachgeäffe der amerikanischer Konsummusik, mit Verlaub, eh.......was war eher da europäische Kultur oder Fastfoodmucke? Ich bin in der Beziehung ziemlich schrullig.........

Hörspiegel: Einziges wirklich ruhiges Stück auf dem Album ist „Soulhunter“. Dieser Song könnte auch gut auf einem Umbra Et Imago Album Platz gefunden haben. Steht von vornherein fest welche Songs für Dracul bzw. Umbra Et Imago genommen werden?

Mozart: Ja auf jeden Fall, das trenne ich schon von vorne herein. Bei „Like an animal“ habe ich die Texte fast zur gleichen Zeit wie zur Aufnahme der Lieder geschrieben. Bei Umra et Imago entstehen die Texte lange bevor wir ins Studio traben.

Hörspiegel: Nun noch eine letzte Frage: Welchen Stellenwert wird Dracul in Zukunft neben Umbra Et Imago einnehmen? Bleibt Dracul nach dem Erfolg des letzten Albums ein Seitenprojekt?

Mozart: Ja natürlich wird DRACUL immer die „kleine Schwester“ bleiben. Wir haben ja, neben anderen Gründen, eine soziale Verpflichtung unserer Bandmitglieder bei UMBRA ET IMAGO. Wir sind nicht auf dem Selbstverwirklichungstrip und haben auch keine Profilneurose.....na ja wenn überhaupt....dann eine ganz kleine..... Dracul ist als Projekt konzipiert und alle Beteiligten sehen das so! Umbra et Imago ist das Mutterschiff und das wird auch kollektiv so gesehen.

Hörspiegel: Danke für Deine Zeit und die Beantwortung meiner Fragen. Macht weiter so!

Mozart: Danke für das aufmunternde Lob und  für euer Interesse!
 

 (Michael Brinkschulte, © 2006 Der Hörspiegel )