Robert Schneider
"Schlafes Bruder"
(Klassiker-Review)

© 1998 Steinbach Sprechende Bücher
Rückentext:
Dies ist die leidenschaftlich und fesselnd erzählte Geschichte des Musikgenies Johannes Elias Alder, der, 22jährig, sein Leben zum Tode brachte. Er hatte beschlossen, nicht mehr zu schlafen.
Der Schlaf ist des Todes Bruder - wer schläft, kann während dieser Zeit nicht lieben. Und er war in Liebe zu seiner Cousine Elisabeth entbrannt.
Fritz Hammel trägt diesen Roman kongenial und unglaublich eindringlich vor.

Hörspiegel-Meinung (ste):
Das unentdeckte musikalische Genie Johannes Elias Alder wäre heute wohl jedermann ein Begriff, ähnlich wie Mozart oder Bach, wäre diese traurige Geschichte nicht so verlaufen, wie sie letztendlich geschah.
Der Roman "Schlafes Bruder" von Robert Schneider spielt im 19. Jahrhundert in dem rückständigen vorarlbergischen Dorf Eschbach. Hier ist die Zeit stehen geblieben, in jeglicher Hinsicht. Religiöse Vernarrtheit steht Inzest und Lasterhaftigkeit gegenüber.
Als der Hauptdarsteller Elias geboren wird, scheint die eingefrorene Welt noch in Ordnung zu sein. Nicht schön, sondern hässlich, aber zumindest in Ordnung. Dass Elias nicht von dem Mann seiner Mutter sondern vom Pfarrer gezeugt wurde, lassen wir einmal dahingestellt sein.
Elias ist auf viele Arten anders als die anderen Kinder des Dorfes, und so wird er schlagartig in einer Nacht zum Mann. Seine Stimme reift, seine Augen verfärben sich gelb. Doch noch etwas geschieht: Johannes Elias Alder hat fortan ein Gehör wie es seinesgleichen sucht. Zum ersten Mal hört er den Herzschlag seiner Cousine Elsbeth, von der er weiß, dass er sie liebt. Das kuriose ist, dass sich Elsbeth noch als Ungeborenes im Leib ihrer Mutter befindet.
Elias wird fortan gemieden und von seinen Eltern eingesperrt. Lediglich sein Cousin Peter schätzt ihn und verliebt sich alsbald in ihn.
Und so entwickeln sich die Charaktere weiter: Elias wird zum orgelspielenden Gott, Peter zum Brandstifter, Elsbeth zu einer begehrenswerten jungen Frau. Unendlich traurig, wie manche Menschen hier ihr Schicksal, ihr jähes Ende finden.
 
Jede Handlung ist in irgend einer Weise mit einer anderen Handlung verknüpft. Und man fragt sich unweigerlich: wie kann man ein solches Gewirr aus Unwahrheiten, Verhältnissen, schrecklichen und wundersamen Ereignissen schaffen, wie es Robert Schneider hier gelungen ist?
 
Über "Schlafes Bruder" kann man ganze Abhandlungen schreiben, und viele haben es bereits getan. Meine Beschreibung wird der Komplexität des Inhalts nicht einmal annähernd nah. Man muss es selbst gelesen haben, um es zu verstehen. Nun, entweder gelesen oder gehört haben!
Denn "Schlafes Bruder" gibt es als Hörbuch-Lesung aus dem Hause Steinbach Sprechende Bücher. Der ungekürzte Roman, vorgelesen von Fritz Hammel.
Der Sprecher schafft es, durch seine Stimme einen authentischen Flair in die Erzählung mit einzuflechten. Nicht zuletzt, weil er mit Dialekt spricht. Doch wirklich warm bin ich mit Fritz Hammel nicht geworden. Eindringlich ja, doch zu distanziert die Lesung, und zu emotionslos.
 
"Schlafes Bruder" kommt in einer umfangreichen 6-CD-Box, aufgemacht mit dem Motiv des Taschenbuchcovers. Ansonsten ist die Aufmachung sehr schlicht ausgefallen.
Aber schließlich ist es der preisgekrönte Inhalt das, was zählt: pervers, abstrus, obszön, verwundernd, erleuchtend, faszinierend und begeisternd. Ein (Hör-)Buch, das in keiner Literatursammlung fehlen darf!
 

Hörspiegel-Skala:
1. Story
2. Atmosphäre
3. Sprecher
4. Soundtrack
5. Aufmachung
ENDERGEBNIS (gerundet)
(Nico Steckelberg, © 2003 Der Hörspiegel )